Die Richter des Königs (German Edition)
Anblick dieser beiden, die ihre Zuneigung füreinander nicht verbergen konnten, empfand er mit einem Mal – wenn auch nur für einen flüchtigen Moment – so etwas wie Neid.
Die Kutsche hatte die Hinrichtungsstätte hinter sich gelassen und bog in die Landstraße nach London ein. Breandán wurde sich unversehens bewusst, wo er sich befand, und löste sich von Amoret. Sein Blick richtete sich abfällig auf Trelawney, der ihm gegenübersaß.
»Ihr habt nur widerwillig eingesehen, dass ich unschuldig bin, nicht wahr?«, bemerkte Breandán herausfordernd. »Von dem Tag an, als wir uns das erste Mal begegneten, habt Ihr mich für einen Strolch gehalten. Warum? Weil ich Ire bin? Ich habe nie etwas Unrechtes getan. Aber Ihr glaubtet, dass ich Euch berauben wollte, obwohl ich nur versuchte, Euch zu helfen, als Ihr betrunken in der Gosse lagt. Ihr habt mich auspeitschen lassen für ein Verbrechen, das ich nicht begangen hatte, und Ihr wolltet mich ohne viel Federlesen an den Galgen bringen für einen Mord, den ein anderer verübt hat, ohne auch nur einen Augenblick an meiner Schuld zu zweifeln. Verlangt Ihr jetzt, dass ich Euch danke, weil Ihr Euch im letzten Moment eines Besseren besonnen habt?«
»Nein«, antwortete Sir Orlando trocken. »Ich verlange nichts anderes, als dass ich Euch nie wieder in meinem Gerichtshof sehen muss. Haltet Euch in Zukunft aus Schwierigkeiten heraus.«
Der Hass, der in den Augen des Iren glühte, ließ Trelawney erschaudern. Ihm wurde klar, dass er mitgeholfen hatte, das Leben eines Mannes zu retten, der sein persönlicher Feind war. Aber er leugnete auch nicht, dass er selbst ihn dazu gemacht hatte. McMahon hatte es treffend in Worte gefasst: Sir Orlando hatte ihn von Anfang an für einen schlechten Menschen gehalten, weil er Ire war und weil die Iren in England als Barbaren, Rebellen und Diebesgesindel galten. Trelawney hatte schon so manchen von ihnen wegen Raubs oder Diebstahls zum Galgen verurteilt und McMahon kurzerhand mit diesen Gaunern über einen Kamm geschoren. Wie an dem Tag, als er erfahren hatte, dass Fauconer Jesuit war, hatte er sich auch in diesem Fall von Vorurteilen leiten lassen und die Persönlichkeit des Menschen, mit dem er es zu tun hatte, außer Acht gelassen.
Ja, er gab es ohne Widerstreben zu: Er hatte McMahon unrecht getan. Aber er konnte es nicht mehr ungeschehen machen. Bei dem Gedanken, fortan stets diesen hasserfüllten Burschen im Rücken zu haben, befiel Trelawney große Sorge, ja beinahe Furcht. McMahon war unberechenbar genug, um sich eines Tages an ihm zu rächen, wenn er es vielleicht am wenigsten erwartete. Er musste sich vor ihm in Acht nehmen.
Sir Orlando dachte kurz nach und wandte sich dann an den Priester, der neben ihm saß: »Ich würde Euch raten, ihn aus der Stadt oder besser noch außer Landes zu bringen. Die Ratsherren werden mit der Erklärung zufrieden sein, die ich ihnen geben werde, aber bei Sir John Deanes Freunden bin ich da nicht so sicher. Sie könnten versuchen, Selbstjustiz zu üben. Es gibt viele Möglichkeiten, einen Mann unter einem Vorwand ins Gefängnis zu bringen und ihm dort das Leben unerträglich zu machen.«
»Da muss ich Euch zustimmen, Mylord«, erwiderte Jeremy mit sorgenvoller Miene. »Es wäre tatsächlich sicherer für ihn, eine Weile unterzutauchen.«
Die Kutsche des Richters hatte den Strand erreicht und hielt vor Hartford House. Jeremy drückte Trelawney zum Abschied dankbar die Hand, und auch Amoret schenkte ihm ein herzliches Lächeln. Nur Breandán würdigte seinen Retter keines Blickes mehr, als er die Kutsche verließ und mit Jeremy und Amoret das Haus betrat.
Der Jesuit war nur mitgekommen, um die vielen Schürfwunden des Iren zu begutachten und seine zerschundenen Daumen noch einmal daraufhin zu untersuchen, ob sie ohne Entzündung heilten. Schließlich ließ er Amoret einen Tiegel seiner Wundsalbe da, die er stets mit sich herumtrug.
»Er muss London so schnell wie möglich verlassen«, betonte Jeremy noch einmal.
»Ich werde mich darum kümmern, Pater«, versicherte Amoret, die bereits einen Plan hatte.
»Viel Glück, mein Sohn«, wünschte der Priester dem jungen Mann, der ihn dankbar umarmte.
»Ich werde nicht vergessen, was Ihr für mich getan habt, Pater. Und ich werde mir Eure Ermahnungen zu Herzen nehmen, das verspreche ich.«
Als Jeremy gegangen war, nahm Breandán in einem im Schlafgemach aufgestellten Holzbottich ein Bad, um sich vom Schmutz des Newgate zu befreien. Amoret entwirrte
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