Die Richter des Königs (German Edition)
ist allerdings eine ärgerliche Sache. Gestern schickte ich einen Diener zum Inner Temple und ließ ihn nach Jeffreys fragen, aber er kam unverrichteter Dinge zurück. Niemand weiß, wo sich der Student aufhält.«
Trelawney erhob sich und drückte dem Priester zum Abschied herzlich die Hand. »Es tut mir Leid, dass ich Euch gerade jetzt, da der Fall sich so unbefriedigend entwickelt, verlassen muss. Wenn Ihr Hilfe brauchen solltet, schickt mir Nachricht. Möge Gott Euch schützen, Pater.«
Am Hof feierte man die Sieger von Lowestoft, besonders den Herzog von York, den jüngeren Bruder des Königs, der als Großadmiral Oberbefehlshaber der Flotte war. Doch man sprach auch mit Besorgnis über die Ausbreitung der Seuche und schmiedete Pläne für eine baldige Abreise.
Amoret hatte wie die anderen Höflinge mit den Reisevorbereitungen begonnen, obwohl sie noch immer hoffte, dass sich das Blatt wenden und der Hof in Whitehall bleiben würde. Doch auch in Westminster stieg die Zahl der Pestfälle unaufhaltsam an, und allmählich stellte sich Angst unter den Höflingen ein. Man entschloss sich, an Peter und Paul nach Hampton Court überzusiedeln.
Charles hatte Amorets Sohn, der inzwischen auf den Namen Charles Fitzjames getauft worden war, anerkannt und erkundigte sich häufig nach seinem Wohlergehen. Dabei fiel dem König eines Nachmittags auf, dass Amoret bedrückt wirkte. Mit einem Einfühlungsvermögen, für das sie ihm dankbar war, fragte er: »Sorgt Ihr Euch um Euren Jesuiten, Madam?«
»Ja, Sire«, bestätigte sie. »Man sagt doch, dass in Seuchenzeiten Ärzte und Priester am meisten gefährdet seien. Für ihn bedeutet dies doppelte Gefahr.«
»Dann überredet ihn doch, Euch und den Hof zu begleiten«, schlug Charles vor. »Es kann nur von Vorteil sein, einen so begnadeten Arzt in der Nähe zu haben.«
»Ich werde versuchen, mit ihm darüber zu sprechen. Aber ich fürchte, es wird nicht einfach sein, ihn zu überzeugen.«
Am nächsten Morgen fuhr Amoret in ihrer Kutsche in die Paternoster Row. Als sie die Chirurgenstube betrat, fiel ihr sofort die Veränderung auf, die das ganze Haus ergriffen hatte. Die vorbildliche Ordnung und Sauberkeit, auf die Meister Ridgeway stets so großen Wert gelegt hatte, war einer unübersehbaren Vernachlässigung gewichen. Salbentiegel, Instrumente und andere Utensilien standen und lagen überall herum, wo sie nicht hingehörten, das Metall der Aderlassbecken, die an der Wand und unter der Decke hingen, war stumpf geworden, weil man sie in letzter Zeit nicht mehr poliert hatte, die sauberen Leinenbinden waren zu unordentlichen Knäueln zusammengerollt worden. Mit einem Naserümpfen durchquerte Amoret die Werkstatt und murmelte angewidert: »Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse.«
Die Tür zu Pater Blackshaws Kammer stand einen Spaltbreit offen. Amoret kratzte mit dem Fingernagel am Holz, aber es kam keine Antwort. Nach kurzem Zögern schob sie die Tür ganz auf und trat ein. Jeremy saß mit dem Rücken zu ihr auf einem Stuhl. Sein Oberkörper war nach vorne auf die Tischplatte gesunken, und sein Kopf ruhte auf den verschränkten Armen. Er rührte sich nicht. Besorgt sah Amoret auf ihn hinab. Am helllichten Tag zu schlafen, das war nicht seine Art. Er musste bis weit in die Nacht hinein gearbeitet haben. Amoret legte die Hand auf seine Schulter und drückte sie leicht, um ihn zu wecken, doch er reagierte nicht. Erst als sie ihn kräftig schüttelte, fuhr er mit einem Ächzen aus dem Schlaf.
»Mylady«, murmelte Jeremy, sich die geröteten Augen reibend, »was macht Ihr hier? Ich dachte, Ihr hättet längst mit dem Hof die Stadt verlassen.«
»Der König bricht erst in drei Tagen nach Hampton Court auf. Aber sagt mir endlich, was mit Euch los ist. Seid Ihr krank?«
Der Jesuit schüttelte schwach den Kopf. »Nur müde. Ich bin fast jede Nacht unterwegs.«
»Und inzwischen geht Meister Ridgeways Werkstatt vor die Hunde«, meinte Amoret vorwurfsvoll.
»Ich weiß, ich sollte ein Auge auf John und Tim haben, aber mir fehlt einfach die Zeit. Sie sitzen nur noch faul herum und rauchen Tabak. Wenn ich sie zur Ordnung rufe, gehorchen sie zwar, aber sobald ich außer Haus bin, fallen sie in ihre Nachlässigkeit zurück.«
»Müsst Ihr denn so viel arbeiten, dass Ihr keinen Schlaf mehr findet?«
»Madam, Ihr habt ja keine Vorstellung von dem Leid, das diese Stadt befallen hat. Hunderte sind an der Pest erkrankt, und es werden täglich mehr. Viele Ärzte und Kleriker
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