Die Richter des Königs (German Edition)
wollte Euch mit einer tödlichen Krankheit infizieren. Bei Richter Trelawney hat er sich damals derselben Methode bedient. Die Pest bietet ihm nun Gelegenheit, gefahrlos weitere Anschläge durchzuführen. Ihr seht ja selbst, wie einfach es ist, das Pestgift zu verbreiten. Alan, Ihr müsst so bald wie möglich die Stadt verlassen.«
»Aber …«, protestierte der Wundarzt. »Wie könnte ich jetzt einfach davonlaufen, wo ich hier gebraucht werde?«
»Bisher habt Ihr Glück gehabt. Aber es ist absehbar, dass in London bald ein völliges Chaos ausbrechen wird. Die Wohlhabenden fliehen bereits aus der Stadt. Der Stadtrat und die Gemeinden sind jetzt schon überlastet, und wenn sie erst anfangen, befallene Häuser zu schließen, wird die Ordnung in kurzer Zeit zusammenbrechen. Unser Mörder wird sich das zu erwartende Durcheinander zunutze machen. Ihr müsst fort!«
»Ich werde schon auf mich aufpassen.«
Jeremy überlegte kurz, bevor er weitersprach. »Ihr könntet Richter Trelawney und mir einen großen Dienst erweisen. Ihr wisst ja, wie weit unsere Nachforschungen gediehen sind. Wir können den Mörder aber nur entlarven, wenn wir Näheres über Jeffrey Edwards’ Familie herausfinden. Nun, Sir Orlando hat zwar dem Sheriff der Grafschaft geschrieben und ihm aufgetragen, Erkundigungen einzuziehen, aber wer weiß, wie lange das dauern wird. Außerdem könnten wichtige Hinweise übersehen werden. Es wäre mir lieber, wenn eine zuverlässige Person nach Wales reiste und die Untersuchung übernähme – wie Ihr.«
Alan war im ersten Moment zu verblüfft, um zu antworten. Als er sich wieder gefangen hatte, fragte er zweifelnd: »Hat denn der Richter niemanden, den er schicken kann?«
»Niemand, der genug Verstand besitzt, um die richtigen Antworten zu erhalten.«
Jeremy redete fast eine Stunde lang unermüdlich auf seinen Freund ein, bis dieser nachgab. »Ich werde Lady St. Clair eine Nachricht zukommen lassen«, erklärte der Jesuit erleichtert, »damit sie Euch einige Diener stellt, die Euch auf der Reise begleiten sollen. Sie wird Euch auch mit einem Pferd ausstatten. Ich habe gehört, dass in der ganzen Stadt keines mehr zu bekommen ist, weil so viele Menschen die Flucht ergreifen. Ihr werdet zudem vor Eurer Abreise beim Lord Mayor vorsprechen und um eine Gesundheitsbescheinigung ersuchen müssen, sonst lässt man Euch nicht aus der Stadt. Da es aber innerhalb der Stadtmauern bisher nur wenige Pestfälle gegeben hat, werdet Ihr keine Schwierigkeiten haben, ein Zeugnis zu bekommen.«
»Aber was wird aus meiner Offizin?«, warf Alan halbherzig ein.
»Macht Euch keine Sorgen. Ich werde mich um alles kümmern«, versicherte Jeremy und versuchte, gelassen zu erscheinen. »Ich würde Euch gerne noch um einen Gefallen bitten«, fügte er nach kurzem Zögern hinzu. »Stoke Lacy, der Familiensitz der Blackshaws, liegt auf dem Weg nach Wales, in Shropshire. Ich habe nicht oft Gelegenheit, meinem Bruder einen vertraulichen Brief zukommen zu lassen, und möchte Euch daher bitten, kurz in Stoke Lacy Halt zu machen und ihm ein Schreiben auszuhändigen, das mir sehr wichtig ist.«
Alan erklärte sich gerne bereit. Noch am selben Tag schrieb Jeremy spätabends an seinen Bruder und versiegelte den Brief sorgfältig. Dann kniete er sich vor das Kruzifix, das an der Wand hing, und bat um Vergebung, weil er seinen besten Freund belogen hatte.
Dreiundvierzigstes Kapitel
A uf Jeremys Drängen hin reiste Alan bereits am nächsten Tag ab. Der Priester blieb mit dem Gesellen, dem Lehrjungen, der Haushälterin und der Magd in einer Atmosphäre tiefer Missstimmung zurück. John nahm es seinem Meister übel, dass dieser sich aufs Land in Sicherheit begab, während sie im verseuchten London zurückbleiben mussten. Der Geselle wusste, dass der Priester, der mit ihnen unter einem Dach wohnte, die Kranken in ihren Behausungen besuchte und sie sogar pflegte. Sicher war es nur eine Frage der Zeit, bis er an der Pest erkranken und die Seuche zu ihnen ins Haus tragen würde. Und dann würde man sie mit ihm zusammen einsperren, wie es der Stadtrat bereits angedroht hatte, bis sie alle tot waren. Oft, wenn der Priester unterwegs war, setzten sie sich zusammen – John, Tim, Susan und Mistress Brewster – und berieten, was sie tun sollten. Keiner von ihnen wusste, wohin er sich wenden sollte, denn viele Bedienstete waren bereits von ihren Herren, die ihre Läden schlossen und aufs Land flohen, auf die Straße gesetzt worden und in Not
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