Die Richter des Königs (German Edition)
Ärmsten der Armen, die keine andere Arbeit fanden und die die wenigen Pence, die ihnen von der Gemeinde dafür gezahlt wurden, zum Überleben brauchten. Weigerten sie sich, Pestkranke zu versorgen, verloren sie auch den Anspruch auf Armengeld. Amoret ließ sie nur die gröberen Arbeiten erledigen und erlaubte ihr nicht, Jeremy mit ihren schmutzigen Händen anzufassen. Um ihn kümmerte sie sich lieber selbst. Die ganze Zeit über war sie kaum von seiner Seite gewichen. Sie hatte sich das Rollbett aus der Werkstatt geholt, auf dem der Lehrling zu schlafen pflegte, und es in Jeremys Kammer aufgeschlagen. Und obwohl er ihr versicherte, dass er keine Aufsicht mehr benötigte, bestand sie auch weiterhin darauf, die Nächte auf diesem unbequemen Lager zu verbringen. Da Pater Lusher nicht mehr kam, seit sein Ordensbruder außer Gefahr war, wechselte Amoret auch den Verband um die Wunde in Jeremys Leiste, die die aufgebrochene Pestbeule zurückgelassen hatte.
Die schwere Krankheit hatte seine Körperkräfte restlos aufgezehrt, und so lag er nun, da der Kampf mit dem Tod vorüber war, die meiste Zeit über in tiefem Schlaf. Doch nach einigen Tagen wurde sein Geist wacher, und so setzte er sich immer wieder im Bett auf und las in einem seiner Bücher. Als er sich kräftig genug fühlte, bat er Amoret, ihm die Krücken zu holen, die in Alans Werkstatt standen, damit er erste Gehversuche unternehmen konnte. Sie versuchte, es ihm auszureden, da sie ihn noch für zu schwach hielt und fürchtete, dass ihn die körperliche Anstrengung umbringen könnte. Aber er versprach ihr, vorsichtig zu sein und sich nicht zu viel zuzumuten. Die Wunde in seiner Leiste bereitete ihm beim Gehen große Schmerzen, und selbst nach Tagen schaffte er es nur mit Mühe, auf die Krücken gestützt von einer Seite der Kammer auf die andere zu humpeln. Danach war er stets in Schweiß gebadet und völlig erschöpft. So schwer es ihm auch fiel, musste er doch einsehen, dass sich seine Genesung noch lange hinziehen würde.
Wieder erschien Jeremy der grauhaarige Mann im Traum, aber diesmal sah er sein Gesicht klarer. »Ihr wolltet mir etwas Wichtiges mitteilen, Dr. Fauconer«, erinnerte er ihn. »Worum geht es?«
»Ihr seid in Gefahr.«
»Durch wen?«
»Ich weiß es nicht.«
Jeremy fuhr aus dem Schlaf und starrte an die Decke des Baldachins, seine ganze Gedankenkraft auf die Lösung des Rätsels gerichtet. Er musste sich erinnern! Wo hatte er den Mann gesehen? Zwei weitere Gesichter traten vor sein geistiges Auge: Breandán … am Boden … mit blutiger Schläfe … und Sir Orlando Trelawney, der mit Löwenstimme brüllte: »Lasst sofort den Mann los!« Jeremys Wange tat noch weh von dem Schlag, den er erhalten hatte. »Es tut mir Leid, dass ich nicht eher hier sein konnte«, sagte Trelawney. »Ich hielt es für sicherer, den zuständigen Friedensrichter mitzubringen: Sir Henry Crowder.«
Jeremy zog scharf die Luft ein, als er endlich begriff, was ihn die ganze Zeit gequält hatte. Er sah sich um und rief nach Amoret, doch sie war nicht in seiner Kammer. Vermutlich kümmerte sie sich unten in der Küche um das Essen. Zähneknirschend rollte er sich an den Rand des Bettes und ließ seine Füße auf den Boden gleiten, dann griff er nach den Krücken, die an der Wand lehnten, und schob sie sich unter die Achseln. Er hatte diese Bewegungsabläufe oft genug geübt, aber aufgrund der Schwäche seiner Muskeln bereiteten sie ihm noch immer Schwierigkeiten. Entschlossen wuchtete er sich in eine aufrechte Position, machte vorsichtig einen Schritt und dann noch einen. Sein Atem ging keuchend, und seine Arme schmerzten, als er endlich das Fenster erreichte und sich an das Sims klammerte. Der Flügel stand ein wenig offen. Es bereitete Jeremy keine weitere Mühe, ihn ganz aufzudrücken und sich hinauszubeugen. Da er sich im zweiten Geschoss befand und das Stockwerk über die Straße vorsprang, konnte er von dem Wächter, der vor der Tür hockte, nur einen abgetragenen Filzhut und die blinkende Stahlspitze seiner Hellebarde erkennen.
»He, Wachmann!«, rief Jeremy hinab, um den Mann auf sich aufmerksam zu machen.
Dieser erhob sich nicht eben eifrig, sah dann aber doch neugierig zu dem geöffneten Fenster hinauf.
»Ah, es geht Euch also besser!«, rief er sichtlich erfreut. »Es tut gut, zu sehen, dass wenigstens ab und zu mal einer dem Tod von der Schippe springt. Das kommt nicht oft vor, so könnt Ihr mir glauben.«
»Wie ist Euer Name, guter
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