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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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nötig hatte und es besser war, ihn nicht zu stören. Und da sie nicht wusste, wann er aufwachen würde, wollte sie die Milch nicht am Bett stehen lassen. Sie würde nur kalt werden. Sie konnte ihm später immer noch etwas davon aus dem Topf in der Küche holen. Der Zimtgeruch machte ihr schon die ganze Zeit Appetit, und so trank sie schließlich einen kräftigen Schluck. Ein seltsamer unangenehmer Geschmack blieb in ihrem Mund zurück und nahm ihr die Lust auf mehr. Die Gewürzmischung der Apothekerfrau war nicht gerade jedermanns Sache.
    Amoret stieg wieder in die Werkstatt hinunter und holte die Kräuter, die sie eben, durch Mistress Bloundels Klopfen gestört, auf dem Operationstisch zurückgelassen hatte. In der Mitte des Raumes stand ein Becken mit glühenden Kohlen, auf die sie regelmäßig Alantwurzeln, Weinraute, Wacholder, Rote Myrrhe, Rosmarin und Lorbeer warf. Dies sollte die verseuchte Luft reinigen. Nachdem sie noch ein wenig Ordnung gemacht hatte, ging sie in die Küche zurück. Ihr erster Blick galt der Milch, doch zu ihrer Überraschung musste sie feststellen, dass der Topf leer war.
    »Gevatterin Barton, wer hat dir erlaubt, von der Milch zu trinken!«, rief sie empört.
    Die alte Frau trat mit unschuldiger Miene aus der Waschküche. »Ich hatte Durst«, meinte sie mit einem Schulterzucken.
    »Die Milch war für den Patienten bestimmt, nichtsnutziges Weib. Wie konntest du es wagen, dich daran gütlich zu tun. Geh wieder an deine Arbeit, bevor ich mich vergesse!«
    Wütend ging Amoret in den Garten hinaus, um frische Kräuter zu pflücken. Es hatte keinen Sinn, sich aufzuregen, das wusste sie. Aber die Enttäuschung über die verschwendete Milch machte ihr dennoch zu schaffen. Als sie ihre Röcke raffte und sich neben das Kräuterbeet hockte, verspürte sie plötzlich einen dumpfen Schmerz im Magen. Sie wurde sich bewusst, dass sie lange nichts gegessen hatte. Speichel floss in ihrem Mund zusammen, obwohl sich ihre Kehle trocken anfühlte und sie Durst bekam. Noch während sie sich erhob, wandelte sich das bohrende Hungergefühl zu Übelkeit, und Schwindel erfasste sie. Der Brechreiz wurde schließlich so stark, dass sie sich über einen der ausgewaschenen Unrateimer beugen und erbrechen musste.
    Ein Anflug von Panik ergriff sie. Es war so lange gut gegangen. Die ganze Zeit, als sie Pater Blackshaw gepflegt hatte, hatte sie sich nicht angesteckt. Und jetzt, da es ihm besser ging, hatte sie sich außer Gefahr gewähnt. Nun war es doch geschehen! Sie hatte die Pest.

    Jeremy rieb sich die Augen und setzte sich verärgert auf. Trotz seiner Bemühungen, wach zu bleiben, war er eingeschlafen. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Ohne Zögern angelte er nach den Krücken und zwang seinen Körper zum Fenster. Er lehnte sich hinaus und hielt Ausschau nach dem Wächter. Tatsächlich, da unten stand er.
    Jeremy rief: »Daniel Cooper! Habt Ihr bei Sir Henry Crowder etwas erfahren?«
    »Ja, Sir. Vor etwa einer Woche war eine der Mägde erkrankt. Sir Henry ließ ihr eine Arznei verabreichen, die er im Haus hatte, und traf Vorkehrungen, sie ins Pesthaus zu bringen, wenn es ihr nicht besser ging. Sie starb aber innerhalb eines Tages unter großen Schmerzen, wie man mir sagte. Die Beschauer fanden allerdings keinerlei Anzeichen dafür, dass sie die Pest hatte.«
    »Ich danke Euch.«
    Erschüttert klammerte sich Jeremy an das Fenstersims, um nicht zu fallen. Die letzten Teile des Mosaiks lagen an ihrem Platz und ergaben endlich ein erkennbares Bild.
    Jeremy schleppte sich wieder zum Bett und ließ sich auf den Rand sinken. Seine Gedanken überschlugen sich. Zorn über seine Dummheit, seine unverzeihliche Beschränktheit raubte ihm den Atem. Er hatte den entscheidenden Hinweis in Händen gehabt und ihn nicht wahrgenommen. Als Entschuldigung konnte er nur seine Erschöpfung infolge von Überarbeitung und mangelndem Schlaf vorbringen. Vielleicht war er zu jenem Zeitpunkt auch schon krank gewesen. Doch sein Versäumnis hatte eine unschuldige Magd und beinahe auch ihn selbst das Leben gekostet. An dem Tag, als Meister Bloundel ihm seinen letzten Vorrat an Weidenrinde verkauft hatte, hatte er erwähnt, dass der Ratsherr Sir Henry Crowder sich bei ihm mit Medikamenten eingedeckt und dass Gwyneth sie ausgeliefert hatte. Jeremy hätte die Gefahr sofort erkennen und den Ratsherrn warnen müssen – denn auch Sir Henry hatte an dem Prozess gegen Jeffrey Edwards teilgenommen und gehörte deshalb zu den möglichen

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