Die Richter des Königs (German Edition)
auf dem Boden liegen. Sie wand sich unter schrecklichen Krämpfen, keuchte und rang nach Luft. Die Milch!, dachte Amoret. Sie hat den ganzen Topf ausgetrunken. Es ist also wahr. Und mir wird es genauso ergehen.
Von Panik überwältigt, griff sie nach dem Weinkrug und schleppte sich die Treppen zu Jeremys Kammer hinauf. Schmerzhafte Wadenkrämpfe behinderten sie, und nur unter äußerster Kraftanstrengung brachte sie die letzten Stufen hinter sich und taumelte über die Schwelle.
»Was ist mit der Pflegerin?«, fragte Jeremy.
Amoret schüttelte mit schreckgeweiteten Augen den Kopf. »Sie liegt im Sterben. Die Milch …«
Jeremy nickte, nahm ihr den Krug ab und half ihr beim Trinken. Doch kurz darauf musste er hilflos mit ansehen, wie sie alles wieder erbrach.
»Setzt Euch auf das Rollbett«, drängte er sie. »Lockert Eure Korsage, damit Ihr Luft bekommt. Nun versucht es erneut. Ihr müsst etwas von der Holzkohle bei Euch behalten!«
Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es Amoret endlich, wenigstens einige Schlucke des Weins unten zu behalten. Aber die Anfälle hatten sie völlig erschöpft. Kraftlos ließ sie sich auf das Rollbett sinken. Das Atmen fiel ihr schwer, und ihr Gesicht verzerrte sich immer wieder vor Schmerzen. Jeremy konnte es nicht ertragen, sie so zu sehen.
Als sie sich ein wenig beruhigt hatte, wurde Jeremy klar, dass er handeln musste. Gwyneth Bloundel wusste, dass es ihm besser ging, und hatte ohne Zögern versucht, ihn zu vergiften. Er musste sein Wissen weitergeben, bevor sie wieder zuschlug. Aber wie? An wen sollte er sich wenden? An Sir Henry Crowder? Aber der Ratsherr kannte ihn nicht und würde wahrscheinlich nicht auf ihn hören. Für ihn war er nur ein Pestkranker, den die Seuche um den Verstand gebracht hatte. Sollte er Sir Orlando schreiben? Aber der Richter war fern, auf seinem Landsitz, und es mochten Tage, wenn nicht Wochen vergehen, bevor ein Brief ihn erreichte. Die Menschen auf dem Land weigerten sich oft aus Angst vor Ansteckung, Briefe aus London zu befördern. Bis Trelawney sein Schreiben erhielt und ihm zu Hilfe kommen könnte, hätte die Apothekerfrau vielleicht einen anderen Weg gefunden, Jeremy zu ermorden. Es war zum Verzweifeln! Wem konnte er sonst noch trauen? Wer würde seinen Anschuldigungen glauben? Unversehens kam ihm der rettende Gedanke. Von neuem Mut erfüllt, stützte er sich auf die Krücken und kämpfte sich ein weiteres Mal durch die Kammer zum Fenster.
»Mr. Cooper, ich habe noch einen Auftrag für Euch«, rief er zu dem Wachmann hinab. »Kennt Ihr den Friedensrichter Edmund Berry Godfrey?«
»Den besten Friedensrichter Londons? Klar! Wer kennt ihn nicht?«
»Geht auf dem schnellsten Weg zu ihm und richtet ihm aus, dass Dr. Fauconer den Juristenmörder entlarvt hat. Er muss sofort herkommen. Es geht um Leben oder Tod. Beeilt Euch!«
Jeremy sah dem Hellebardenträger nach und trieb ihn in Gedanken zur Eile an. »Heilige Jungfrau, gib ihm Flügel«, murmelte er.
Dann besann er sich auf seine Pflicht als Priester und kniete sich neben Amorets Lager. Der Kampf gegen das Gift hatte ihren Körper erheblich geschwächt, doch sie war noch bei Bewusstsein. Er nahm ihr die Beichte ab und gab ihr das heilige Sakrament. Jetzt konnte er nur noch warten und beten.
Jeremy fuhr erschrocken zusammen und riss die Augen auf. Er glaubte, nur kurz eingenickt zu sein, doch dann wurde ihm zu seinem Schrecken klar, dass er fest geschlafen haben musste. Er saß aufrecht im Bett, in derselben Haltung, in der ihn die Müdigkeit besiegt hatte.
Auf der anderen Seite des Rollbetts, auf dem Amoret lag, stand eine Gestalt. Jeremy spürte sein Herz aussetzen, als er Gwyneth Bloundel erkannte. Sie hatte sich über Amoret gebeugt, die sich nicht rührte, und bedeckte ihr Gesicht mit einem nassen Tuch. Jeremy hatte schon gehört, dass manche der Pflegerinnen beschuldigt wurden, auf diese Weise die ihnen anvertrauten Kranken umgebracht zu haben, um gefahrlos das Haus ausrauben zu können. Die Bewusstlosen atmeten den nassen Stoff durch den Mund ein und erstickten, ohne dass verräterische Spuren zurückblieben.
Mit einem Entsetzensschrei ließ sich Jeremy aus dem Bett fallen und riss dabei das Tuch von Amorets Gesicht. Sein Blick kreuzte den der Apothekerfrau, der sich abfällig auf ihn richtete. Sie wusste, dass er zu schwach war, um sich gegen sie zu wehren oder vor ihr zu fliehen. Sie war eine kräftig gebaute Frau, er dagegen ein von schwerer Krankheit gezeichnetes,
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