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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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ihren Platz zurück. »Verzeiht, Euer Majestät, ich hatte etwas mit Lady St. Clair zu besprechen und wollte nicht, dass sie Euch unfrisiert gegenübertreten muss.«
    Charles näherte sich und reichte Jeremy die Hand zum Kuss. Zu einem kurzen, samtenen Wams, das vorne offen blieb und so das aus feinem transparentem Leinen gefertigte Hemd sehen ließ, trug der König die so genannte Rhingrave, eine Art Pumphose, die aber eher einem faltenreichen Rock ähnelte. Die Hosenbeine wurden unter den Knien mit Spitzenmanschetten zusammengehalten. Auch das weitärmelige Hemd und der weiße Kragen waren mit prächtigen Spitzen besetzt, die über Charles’ schöne Hände fielen. Bunte Satinschleifen zierten Ärmel und Schultern. Seine wohlgeformten Beine kamen durch eng anliegende Seidenstrümpfe vorteilhaft zur Geltung. Seidene Schleifenschuhe mit roten Absätzen und ein weicher Hut mit breiter Krempe, auf dem duftige rote Federn wehten, vervollständigten seine Erscheinung, die wahrhaft majestätisch wirkte.
    Charles war außergewöhnlich groß und überragte jeden seiner Höflinge – ein nicht unzweckmäßiges körperliches Merkmal für einen König, das sich während seiner Flucht vor Cromwells Häschern allerdings als recht verräterisch erwiesen hatte. Ansonsten hatte sich der als Diener verkleidete junge Mann von damals merklich verändert. Die lange Zeit des Exils war nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Sie hatte ernste Linien in sein dunkelhäutiges Gesicht gegraben, vor allem von den Nasenflügeln zum Kinn. Seine Züge waren schwer und fleischig, wie auch die große, lange Nase. Seine braunen Augen unter den dichten schwarzen Brauen aber blitzten wach und aufmerksam, und seine sinnlichen Lippen kräuselten sich stets in den Mundwinkeln. Darüber wuchs ein eleganter, wie mit einem Kohlestift gezogener Oberlippenbart. Seit kurzem erst trug auch Charles die Allongeperücke, denn seine eigenen langen schwarzen Locken waren grau geworden, obwohl er erst vierunddreißig Jahre alt war.
    Ganz im Gegensatz zu seinem gut aussehenden Vater, dem Märtyrerkönig, war Charles nicht attraktiv. Aber sein Charme ließ all diese Mängel vergessen und verzauberte nicht nur die Frauen, sondern auch viele Männer. Selbst Jeremy konnte sich der Ausstrahlung seiner Persönlichkeit nicht entziehen, auch wenn er es bedauerte, dass Charles die Hoffnungen, die man in ihn gesetzt hatte, enttäuschte. Er empfand die Regierungsgeschäfte als lästig und entzog sich ihnen so oft wie möglich. Sein Hof galt als dekadent, korrupt und verschwenderisch.
    Obgleich dem König die Anwesenheit des Priesters in den Gemächern seiner Mätresse ungelegen kam, ließ er es sich nicht anmerken. Er war der Einzige außer Amoret, der Jeremys Geheimnis kannte. Denn obwohl es entgegen den Gesetzen des Königreichs Priester am Hof gab – allein schon im Gefolge der katholischen Königin und der Königin-Mutter –, zog es Jeremy vor, unerkannt zu bleiben, um sich ungestört unter den protestantischen Londonern bewegen zu können.
    »Da Ihr Lady Amorets Beichtvater seid, Pater Blackshaw, hat sie Euch sicher die Neuigkeit erzählt«, begann Charles nach kurzer Überlegung. Mit einer nachlässigen Geste warf er seinen federgeschmückten Hut auf einen Hocker. »Trotzdem will sie nicht heiraten, und das bereitet mir Ungelegenheiten. Es wird schon genug geklatscht, auch außerhalb des Hofs. Redet ihr ein wenig ins Gewissen, Pater. Vielleicht hört sie auf Euch.«
    »Ich werde es versuchen, Sire«, antwortete Jeremy, bevor er sich verbeugte und den Raum verließ.
    Sicher, er würde Charles den Gefallen tun und mit Amoret sprechen, doch er wusste, dass sie ihre Meinung nicht ändern würde. In dieser Sache hörte sie nicht einmal auf ihn. Aber wenn er ehrlich mit sich war, musste er gestehen, dass er sich bisher keine große Mühe gegeben hatte, sie zu überzeugen. Der Gedanke, Amoret mit einem dieser selbstsüchtigen Höflinge verheiratet zu sehen, war ihm zuwider. Sie waren alle aus demselben Holz geschnitzt: leichtfertig, grausam, zynisch, moralisch völlig verkommen. Amoret war es dagegen irgendwie gelungen, sich in diesem Sündenpfuhl ihre Aufrichtigkeit und Herzenswärme zu erhalten, die sie schon als Kind besessen hatte. Vielleicht lag es daran, dass sie keinen Ehrgeiz besaß und sich überall Freunde zu machen verstand. Selbst die berüchtigte Barbara Palmer, Lady Castlemaine, die normalerweise ihre Rivalinnen um die Gunst des Königs mit eifersüchtigem Hass

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