Die Richter des Königs (German Edition)
passiert ist, Sir«, bat er ruhig.
Trelawneys Gesicht war noch immer hochrot. »Meine Nichte beschuldigt Malory, Geld aus meinem Studierzimmer gestohlen zu haben. Sie sagt, sie habe es mit eigenen Augen gesehen. Ich kann es nicht glauben! Ausgerechnet Malory, auf den ich mich immer verlassen habe, der mich die letzten Tage so unermüdlich gepflegt hat. Es ist … es ist so ernüchternd, wenn man von seinen engsten Vertrauten verraten wird.«
Die Betroffenheit des Richters ging so tief, dass ihm erneut die Stimme versagte.
»Wenn Ihr erlaubt, werde ich die Sache untersuchen«, erbot sich Jeremy, der nicht so ohne weiteres bereit war, an die Schuld des Kammerdieners zu glauben.
»Ich fürchte, sie ist eindeutig. Da Esther gesehen hat, wie Malory das Geld nahm, bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn zu entlassen.«
»Lasst mich trotzdem beide befragen, Sir.«
»Natürlich. Ihr habt freie Hand, Dr. Fauconer.«
Jeremy ging wieder in die Halle hinab, wo Esther noch immer dabei war, den Kammerdiener mit Verwünschungen zu überschütten. Malory duckte sich wie unter einem Hagel Schläge. Kaum entdeckte er jedoch den Arzt auf der Treppe, als er demütig fragte: »Ist Seine Lordschaft in Ordnung, Doktor?«
»Es geht ihm gut, Malory. Die Aufregung hat ihm nicht weiter geschadet.«
Jeremy wandte sich an die Nichte. »Mistress Langham, Euer Onkel hat mich gebeten, Eurer Beschwerde nachzugehen. Erzählt mir bitte, was Ihr gesehen habt.«
Esther holte tief Luft, sichtlich gereizt, dass man ihre Worte anzweifelte. Doch sie gab ohne Widerrede nach. »Ich kam gerade aus dem Speisezimmer«, begann sie, auf eine Tür zu ihrer Rechten deutend, »als ich Malory in das Studierzimmer meines Onkels gehen sah. Es wunderte mich, dass er die Tür hinter sich schloss und den Schlüssel umdrehte. Wie Ihr wisst, ist mein Onkel zu krank, um zu arbeiten. Er konnte ihn also nicht heruntergeschickt haben, um ihm etwas zu holen. Da ich die Tür nicht öffnen konnte, sah ich durchs Schlüsselloch und beobachtete Malory, wie er Geld aus der Kassette nahm, die sich in dem Kabinettschränkchen befindet. Da ich aber nicht sicher war, ob mein Onkel ihn nicht vielleicht doch beauftragt hatte, wartete ich in der Tür des Speisezimmers, bis er herauskam, und folgte ihm die Treppe hinauf. Doch Malory ging nicht zu meinem Onkel, sondern brachte das Geld in seine Dachkammer, wo er es in einer Truhe unter seinen Kleidungsstücken versteckte. Wer weiß, wie oft er uns in der Vergangenheit schon bestohlen hat.«
»Ich schwöre, dass es nicht wahr ist!«, beteuerte Malory mit flehender Stimme. »Ich habe Seine Lordschaft nie bestohlen.«
Esther verabreichte ihm eine schallende Ohrfeige. »Du wagst es, mich eine Lügnerin zu nennen?«, schrie sie. »Du hast Glück, dass ich dich nicht anzeige. Du gehörst an den Galgen, du Lump! Aber die Richter würden dich ja doch mit einem Brandmal davonkommen lassen.«
Jeremy bekam eine Gänsehaut, während er das schreckliche Schauspiel mit ansah. Wie konnte eine junge Frau wie diese nur so verbittert sein, dass sie einem anderen Menschen gnadenlos den Tod wünschte? Was hatte sie nur derart verhärtet, dass sie nichts als Hass verspürte?
»Zeigt mir die Geldkassette«, bat Jeremy schließlich, um Esther von dem armen Malory abzulenken.
Sie gehorchte wortlos und führte ihn in das Studierzimmer, dessen Wände mit dunkler Eiche getäfelt waren. Vor einem Kabinettschrank aus Ebenholz blieb sie stehen und öffnete die mit Halbreliefs geschmückten Türen, so dass die einzelnen Schubladen zum Vorschein kamen. In einer davon befand sich eine Kassette aus bemaltem Holz. Esther hob den Deckel und nahm ein Ledersäckchen heraus. Es war mit Silberkronen gefüllt.
»Dies ist der Geldbeutel, den ich in Malorys Truhe fand«, erklärte sie.
»Ich verstehe. Wäret Ihr wohl so freundlich, die Tür dieses Raumes zu schließen und den Schlüssel umzudrehen, Madam?«
Jeremy trat in die Halle hinaus und wartete, bis sie seine Anweisungen ausgeführt hatte. Dann beugte er sich vor und inspizierte das Schloss.
»Vielen Dank, Madam, Ihr könnt wieder öffnen. Wenn Ihr mir jetzt bitte noch die Dachkammer zeigen würdet.«
Esther tat ihm gern den Gefallen. Triumphierend stieg sie ihm voran ins obere Stockwerk hinauf, wo das Gesinde untergebracht war.
»Von wo habt Ihr Malory beobachtet, als er das Geld in die Truhe legte?«, erkundigte sich Jeremy freundlich. Und als sie ihm die Stelle zeigte, blieb er dort stehen und blickte
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