Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
Vom Netzwerk:
Newgate begleiten würdet.«
    »Ihr wollt trotzdem weiter nachforschen?«
    »Unbedingt! Solange der Mörder nicht gefunden ist, besteht die Gefahr, dass er es wieder versucht. Und wenn es ihm dann gelingt, erwartet Trelawney als Ketzer die ewige Verdammnis. Davor möchte ich ihn so lange wie möglich bewahren.«

 Zehntes Kapitel 
    D as Newgate war nur wenige Straßen von der Paternoster Row entfernt. Der Bogen des Torhauses überspannte die Newgate Street und ermöglichte den Durchgang durch die alte Stadtmauer. In früheren Zeiten war das Tor durch ein schweres Fallgitter gesichert gewesen, das man bei Gefahr herunterlassen konnte. Die sechseckigen Türme, die zu beiden Seiten aufragten, und der Zinnenkranz ließen es wie eine uneinnehmbare Festung erscheinen. Die Mauern waren aus massiven Steinquadern gefügt, die der Rauch der Kohlenfeuer geschwärzt hatte.
    Schon im Mittelalter hatte man angefangen, die Torhäuser als Kerker zu nutzen. Im Gegensatz zu den anderen, in denen hauptsächlich Schuldner einsaßen, war das Newgate das Gefängnis für Diebe und Mörder. Es unterstand den Sheriffs von London und Middlesex, die den Kerkermeister ernannten, und war auch das berüchtigtste von allen. Allein sein Name verbreitete Schrecken. Im Volksmund setzte man das Gefängnis mit dem Höllenschlund gleich.
    Ein Ekel erregender Gestank drang durch die dicken Mauern und verpestete in der warmen Jahreszeit die gesamte Umgebung. Vor dem Gefängnis befand sich ein Pranger, der an diesem Tag aber leer war. Als Jeremy und Alan unter dem Torbogen hindurchgingen, lud man gerade die an Kerkerfieber oder anderen Krankheiten gestorbenen Häftlinge auf einen Karren, um sie in ein Massengrab auf dem Friedhof von Christchurch zu werfen.
    Das Newgate war in zwei Bereiche geteilt: die »Volksseite« lag im Norden des Torhauses und beherbergte die armen Gefangenen. Die »herrschaftliche Seite« befand sich im Süden, wo die Wohlhabenderen untergebracht waren, die genug Geld besaßen, um sich Privilegien zu erkaufen.
    Wie in einem Gasthof musste für jede Bequemlichkeit bezahlt werden. Ein Bett kostete zwei Shilling und sechs Pence wöchentlich, saubere Laken zusätzliche zwei Shilling. Die Schließer verlangten von allen Neuankömmlingen ein Trinkgeld. Ohne die Unterstützung ihrer Freunde oder Verwandten drohte den Ärmsten unter den Gefangenen der Hungertod, denn nicht einmal Wasser und Brot gab es umsonst. Und wer keine Freunde besaß, war auf die Barmherzigkeit Fremder angewiesen. Wer dagegen über Geldmittel verfügte, konnte in der Schankstube zechen und spielen, sich das Essen aus einer Garküche bringen lassen, in seinem Quartier Feste feiern oder sich für einen Shilling mit einer Dirne amüsieren. Der Kerkermeister des Newgate, der sein Amt für viel Geld gekauft hatte, wollte nicht nur seine Ausgaben wieder hereinholen, sondern darüber hinaus Gewinn machen. Und so versuchte er die Gefangenen bis auf den letzten Penny auszuquetschen.
    Es war das erste Mal, dass Alan das Newgate betrat. Der Geruch, der ihm entgegenschlug, verursachte ihm dermaßen Übelkeit, dass er sich ein Taschentuch vor die Nase hielt. Es gab kein Wasser zum Waschen und keine Abtritte, nur Nachttöpfe, die jeden Morgen geleert wurden. Eine Gänsehaut breitete sich über Alans Körper aus, noch verstärkt durch den ohrenbetäubenden Lärm, der im Innern der Festung herrschte. Fast dreihundert Menschen waren hier zusammengepfercht, obwohl nur Platz für hundertfünfzig war. Aber es waren nicht ihre rauen Stimmen, die das Höllenspektakel hervorriefen, sondern die eisernen Ketten, die sie beim Gehen über den Steinboden schleiften, denn jeden Morgen wurden die Türen der einzelnen Abteilungen geöffnet, und die Häftlinge konnten sich innerhalb des Kerkers frei bewegen.
    Die Luft war von blauem Tabakrauch geschwängert, der in Schwaden unter der Decke hing. Die Gefangenen rauchten unablässig, weil sie glaubten, sich dadurch vor Krankheiten schützen zu können. Durch die schmalen vergitterten Fenster drang weder frische Luft noch Licht herein, so dass den ganzen Tag über Fackeln und Talglichter brannten. Auch dafür mussten die Häftlinge bezahlen.
    Jeremy führte seinen Freund in den ersten Stock der herrschaftlichen Seite, wo die finanziell besser gestellten Häftlinge in einigem Komfort lebten. Im Erdgeschoss gab es eine Schankstube, in der man essen und trinken konnte, und im obersten Stockwerk lag die Gefängniskapelle.
    Im Zimmer eines Katholiken,

Weitere Kostenlose Bücher