Die Richter des Königs (German Edition)
hoben. Ihre Lumpen waren mit Ungeziefer verseucht. Viele von ihnen litten an Kerkerfieber und taumelten mit dumpfem Blick umher. Jeremy holte einige Stücke Brot aus seiner Tasche hervor und verteilte sie unter die armen Teufel, die sich wie Tiere darum balgten. Er wusste, es war nicht genug, um sie vor ihrem traurigen Schicksal zu retten. Die meisten würden den Tag ihrer Gerichtsverhandlung nicht erleben.
Jeremy wandte sich an einen der Schließer, an dessen Gürtel ein schwerer Schlüsselbund und eine neunschwänzige Katze hingen.
»Wir suchen einen Mann namens McMahon«, sagte er und gab ihm ein Sechspencestück.
»Kommt mit«, antwortete der Wächter und führte sie in ein Verlies, das noch tiefer lag. Hier gab es keine Fenster, ein modriger Geruch lag in der Luft. Die Binsen, die den Boden bedeckten, waren längst nicht mehr als solche zu erkennen. Die wenigen Gefangenen, die hier untergebracht waren, büßten für besondere Vergehen und hatten keine Gnade zu erwarten.
Der Wärter blieb bei einer reglos daliegenden Gestalt stehen und versetzte ihr einen Fußtritt. Doch der Misshandelte spürte nichts mehr. Er war tot. Ungerührt beugte sich der Schließer über den Leichnam und begann, ihm die Kleider auszuziehen. Alles, was irgendeinen Wert hatte, wurde zu Geld gemacht.
»Das irische Schwein ist da drüben«, sagte der Wärter und deutete nach rechts. »Ihr könnt mit ihm sprechen, wenn Ihr wollt, aber nehmt Euch in Acht. Er ist tollwütig.«
Alan wandte sich rasch von dem schrecklichen Anblick ab und trat mit Jeremy zu dem Gefangenen, der teilnahmslos auf dem feuchten Steinboden lag. Er trug nichts weiter als eine zerfetzte Kniehose, sein Oberkörper und seine Füße waren nackt. Man hatte ihn dermaßen mit Ketten beladen, dass er sich kaum noch rühren konnte. Zusätzlich zu den Ringen, die Arm- und Fußgelenke umschlossen, hatte man ihm noch ein Halseisen angelegt, das durch eine Kette an einem Ringbolzen befestigt war, der aus der Mauer hervorragte.
»Er muss sie ganz schön das Fürchten gelehrt haben«, bemerkte Jeremy, während er sich neben den Gefangenen hockte. »Bist du McMahon?«
Der junge Mann setzte sich trotz des Gewichts seiner Fesseln auf und streifte die Besucher mit einem Blick, der wach und ungetrübt war. Sein von Schmutz verklebtes Haar hing in Rattenschwänzen auf seine Schultern. Ein verfilzter Dreiwochenbart überwucherte sein bleiches Gesicht. Sein Körper war so mager, dass sich die Knochen unter der Haut abzeichneten.
»Mein Name ist Breandán Mac Mathúna. Die Engländer nennen mich McMahon.«
» Brendan Mac Mahuna . Ist das so richtig ausgesprochen?«
»Ja. Ihr lernt schnell. Was wollt Ihr von mir?«
»Dir helfen, mein Sohn«, sagte Jeremy, um den Argwohn des Mannes zu besänftigen.
Breandán Mac Mathúna wandte verächtlich das Gesicht ab.
»Warum solltet Ihr mir helfen?«
»Weil ich Priester bin und mich um dein Heil sorge.«
Der junge Ire stieß ein sarkastisches Lachen aus. »Dann seid Ihr also der Pfaffe, von dem die anderen erzählten. Ihr sollt ja wahre Wunder vollbringen.« Doch sein Misstrauen verflog. Er kannte den Eifer der Missionare, die in England im Untergrund arbeiteten. Hier war für kleinliche Herzen kein Platz, denn sie riskierten ihr Leben.
Jeremy hatte den Gefangenen von Kopf bis Fuß gemustert. Selbst unter dem Schmutz, der seine Haut grau färbte, waren unzählige Blutergüsse zu erkennen. Beim Aufsetzen hatte Breandán Mac Mathúna seinen rechten Arm mit der linken Hand abgestützt. Offenbar war er verletzt.
»Lass mich deine Schulter sehen«, bat Jeremy sanft.
Er tastete behutsam über die Knochen und versuchte den Arm anzuheben. Breandán stöhnte vor Schmerzen.
»Sie haben dich ganz schön gerupft, Junge. Die Schulter ist ausgekugelt. Wir müssen sie wieder einrenken. Aber zuerst werden wir dich von diesen barbarischen Ketten befreien.«
Jeremy erhob sich und trat zu dem Wärter, der im Hintergrund gewartet hatte.
»Wie viel verlangt Ihr für leichtere Ketten?«
»Vergesst es! Der Kerl ist verrückt. Er hat einen von uns beinahe erwürgt.«
»Nach der Abreibung, die Ihr ihm verpasst habt, ist er für niemanden mehr eine Gefahr. Seine Schulter ist ausgerenkt. Außerdem ist er halb verhungert. Er muss Euch ja mächtig Angst gemacht haben.«
»Angst? Dass ich nicht lache! Also gut. Leichtere Ketten für sechs Shilling.«
»Und ein besseres Quartier. Ich bezahle für ihn.«
»Wenn Ihr wollt. Aber wenn er noch einmal Radau macht,
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