Die Richter des Königs (German Edition)
wieder versuchen.«
»Ich verstehe Eure Argumentation, was den vertauschten Mantel betrifft, Doktor«, stimmte Sir Orlando zu. »Aber was ich nicht begreife, ist, weshalb sich jemand, der mich umbringen will, so viele Umstände machen sollte. Warum hat er mir nicht einfach ein Messer ins Herz gestoßen, als ich betrunken dalag?«
»Um keinen Verdacht zu erregen, Sir. Ständig werden Menschen krank und sterben. Das ist nichts Ungewöhnliches. Aber wenn ein Richter vom Königlichen Gerichtshof auf der Straße niedergestochen würde, gäbe es einen Aufschrei. Man würde eine Untersuchung anstellen und dem Mörder vielleicht auf die Spur kommen. Euren Fiebertod hätte man dagegen als Unglück hingenommen. Solange wir nicht wissen, wer Euch den Tod wünscht, müsst Ihr sehr wachsam sein, Mylord. Sorgt dafür, dass Ihr nie allein bleibt, und lasst Euren Kammerdiener bei Euch schlafen.«
»Glaubt Ihr wirklich, dass das nötig ist?«
»Ich denke, wir haben es mit einem Mörder zu tun, der nicht nur gerissen, sondern auch entschlossen ist. Er hat einen Moment gewählt, in dem Ihr hilflos wart. Und da Ihr kein gewohnheitsmäßiger Trinker seid, muss er diese Gelegenheit spontan ergriffen haben. Ich bin sicher, dass er auch in Zukunft jedes Zeichen von Schwäche Eurerseits für einen weiteren Anschlag ausnutzen wird. Ihr solltet Euch wirklich einmal Gedanken machen, ob Ihr einen Feind habt, dem Ihr einen Mord zutrauen würdet.«
»Ich kann es mir einfach nicht vorstellen«, widersprach Sir Orlando ohne Zögern.
Eine solche Antwort hatte Jeremy erwartet. Der gutgläubige Richter würde ihm bei seinen Ermittlungen wahrlich keine große Hilfe sein. Während er sich anschickte, seinen Patienten zu untersuchen, fragte er beiläufig: »Sagt Euch der Name George Jeffreys etwas?«
Trelawney reichte Jeremy die Hand, damit dieser seinen Puls fühlen konnte.
»Nein, gar nichts.«
»Ein Jurastudent vom Inner Temple. Ihr habt auch dort studiert, nicht wahr?«
»Ja, und ich bin immer noch Mitglied.«
»Mr. Jeffreys interessiert sich sehr für den Anschlag auf Euer Leben. Er hat mir geholfen, den Iren aufzuspüren, den ich übrigens mit Eurer Erlaubnis morgen befragen werde.«
»Ich kann Euch eine Empfehlung an einen Friedensrichter mitgeben, damit er Euch einen Verhaftbefehl ausstellt.«
»Nicht nötig, Mylord. Dieser McMahon befindet sich bereits im Newgate.«
Nachdem Jeremy die gut verheilten Brandwunden an Trelawneys Füßen noch einmal mit Salbe eingerieben hatte, deckte er den Richter wieder zu. Sein abgemagerter Körper begann, allmählich wieder Fleisch anzusetzen, und sein blondes Haar wuchs in einem dunkleren Ton nach. Bald würde nichts mehr an seine schwere Krankheit erinnern.
»Dr. Fauconer, ich habe eine Bitte an Euch«, erklärte Sir Orlando nach Beendigung der Untersuchung. »Ihr habt mir heute wieder einmal bewiesen, wie wichtig eine genaue Beobachtungsgabe zur Aufklärung eines Verbrechens ist. Ich nehme mein Richteramt sehr ernst und versuche stets, Unschuldige vor Verleumdungen zu bewahren. Leider kommt es immer wieder vor, dass ich allein nicht weiterweiß, auch wenn mein Gefühl mir sagt, dass das Offensichtliche nicht unbedingt die Wahrheit ist.
Ich will Euch ein Beispiel geben. Vor knapp drei Jahren wurde eine Frau überfallen und vergewaltigt. Sie war so schlimm zugerichtet, dass sie an ihren Verletzungen starb. Angesichts dieser brutalen Tat ging ein Aufschrei der Empörung durch die ganze Stadt. Die Friedensrichter gerieten unter Druck, den Schuldigen zu finden und vor Gericht zu bringen. Bald fand sich ein Verdächtiger, der am selben Abend mit dem Opfer gesehen worden war. Allein aufgrund dieser Tatsache wurde er verurteilt und gehenkt. Ich war damals einer der Richter, und obwohl ich die Beweise nicht für ausreichend hielt, konnte ich doch nichts tun, um den Mann zu retten. Die Jury hätte ihn auf jeden Fall schuldig gesprochen. Das Verbrechen hatte die Menschen so erschüttert, dass sie ein Sühneopfer brauchten, um sich wieder sicher zu fühlen. Etwa vor einem Jahr gestand schließlich ein anderer Mann die Tat. Wir hatten uns alle des Justizmordes schuldig gemacht!
Ich will etwas Derartiges nie wieder erleben müssen. Deshalb möchte ich Euch in Zukunft bei unklaren Fällen zu Rate ziehen. Seid Ihr damit einverstanden?«
Jeremy wandte betroffen das Gesicht ab und presste die Lippen aufeinander, bis sie weiß wurden. »Ihr vertraut mir zu sehr, Richter«, sagte er abwehrend.
»Wie könnte
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