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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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gehört, in der er des Raubüberfalls und des Diebstahls eines versilberten Degens im Wert von fünfzehn Shilling beschuldigt wird. Was den ersteren Tatbestand betrifft, so haben die Aussagen der Zeugen nicht zweifelsfrei beweisen können, dass der Angeklagte bewaffnet war, als er Sir John Deane den Degen stahl, und es scheint unglaubwürdig, dass ein unbewaffneter Mann einem bewaffneten Mann Gewalt androhen kann, um ihn zur Herausgabe seiner Wertsachen zu zwingen. Ihr habt auch die Aussage des Angeklagten gehört, der leugnet, den Diebstahl begangen zu haben, sondern in Notwehr gehandelt haben will. Ob Ihr ihm seine Geschichte glaubt, müsst Ihr entscheiden. Glaubt Ihr sie, müsst Ihr ihn nicht schuldig sprechen. Seid Ihr jedoch überzeugt, dass er schuldig ist, so möchte ich Euch daran erinnern, dass Ihr über Leben oder Tod des Angeklagten beschließt. Bevor Ihr also Euren Urteilsspruch verkündet, denkt darüber nach, ob der Wert eines Degens das Leben eines Menschen aufwiegt. Möge Gott Euch in Eurer Entscheidungsfindung lenken.«
    Jeremy wandte sich mit einem fragenden Blick zu George Jeffreys, der ein wissendes Grinsen aufgesetzt hatte. »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er den Studenten.
    »Das werdet Ihr gleich sehen«, antwortete dieser, und sein Lächeln wurde noch breiter. »Geduldet Euch noch ein wenig, bis die Geschworenen zurückkehren.«
    Jeffreys hatte offensichtlich seine Freude daran, seinen Begleiter auf die Folter zu spannen, und Jeremy ahnte, dass er sich durch nichts dazu erweichen lassen würde, die nervenaufreibende Wartezeit zu verkürzen.
    Der Jesuit lauschte den folgenden drei Prozessen vor einer Middlesex-Jury nur mit halbem Ohr. Es war spät geworden, und die Gerichtsdiener entzündeten Talgkerzen, die ein unruhiges, geisterhaftes Licht warfen.
    Mit nervös klopfendem Herzen verfolgte Jeremy schließlich die Rückkehr der Londoner Jury. Nachdem der Gerichtsschreiber ihre Namen aufgerufen hatte, fragte er sie, ob sie zu einem einstimmigen Urteil gelangt seien.
    »Ja«, war die Antwort.
    »Wer soll für Euch sprechen?«
    »Der Obmann.«
    Der Gerichtsschreiber rief nun erneut die Angeklagten nacheinander an die Schranke und forderte sie ein weiteres Mal auf, zur Identifizierung die Hand zu heben.
    »Hier steht Brendan McMahon vor Euch. Seht ihn Euch an. Wie habt Ihr entschieden? Ist er der Kapitalverbrechen des Raubüberfalls und des Diebstahls, deren er angeklagt ist, schuldig oder nicht schuldig?«
    »Nicht schuldig des Raubüberfalls, schuldig des Diebstahls eines Degens im Wert von zehn Pence.«
    George Jeffreys neigte sich zu Jeremys Ohr und erklärte: »Richter Trelawney hat die Geschworenen angewiesen, die Anklagepunkte in ihrem Urteilsspruch herabzusetzen, und sie sind seiner Aufforderung gefolgt. Das Gesetz trennt schweren Diebstahl von Kleindiebstahl. Auf das eine steht die Todesstrafe, auf das andere nicht. Indem die Jury den Wert des gestohlenen Degens auf zehn Pence, also unterhalb eines Shillings, der entscheidenden Grenze zum schweren Diebstahl, festsetzte, hat sie den Iren vor dem Galgen gerettet. Aber ganz straflos kommt er nicht davon.«
    »Welche Strafe steht auf Kleindiebstahl?«, fragte Jeremy, der ein Gefühl der Erleichterung verspürte.
    »Auspeitschen!«, antwortete Jeffreys ernst.
    Der Jesuit schluckte. McMahon mochte dem Tod entronnen sein, doch die Strafe, die ihn stattdessen erwartete, war dennoch grausam und qualvoll, umso mehr für einen unschuldigen Mann, dessen einziges Vergehen darin lag, seinen Stolz verteidigt zu haben.

    Da es bereits neun Uhr abends war, beschloss Sir Orlando Trelawney, die Gerichtssitzung auf den nächsten Morgen zu vertagen. Während der Lord Mayor und die Ratsherren sich zurückzogen, winkte Trelawney ebenden Gerichtsdiener zu sich, den er am Nachmittag beauftragt hatte, Jeremy zu ihm zu führen, und schickte ihn noch einmal mit derselben Anweisung unter die Zuschauer.
    Trelawney erwartete den Jesuiten diesmal in einem separaten Zimmer und schloss sorgfältig die Tür hinter ihm. Er wollte sicher sein, dass sie ungestört waren.
    »Ich danke Euch, dass Ihr Euch für McMahon eingesetzt habt, Mylord, selbst gegen den Willen des Ratsherrn«, sagte Jeremy.
    »Ich fürchte, es gibt da noch ein Problem«, erwiderte der Richter in einem deutlichen Ton der Besorgnis. »Deshalb wollte ich mit Euch reden. Ihr wisst, dass das Strafmaß für diejenigen, die schuldig gesprochen wurden, erst am letzten Sitzungstag verkündet wird.«
    »Ja, und

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