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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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haben, als ihre Wänste zu mästen. Darf ich dazu einen Zeugen aufrufen?«
    »Tut das«, stimmte Sir Orlando zu.
    Während er der Aussage des Besitzers der Fechtschule lauschte, der die Waffenkunst des Iren rühmte, betrachtete Trelawney den Angeklagten eingehend. McMahon war nicht sehr groß. Sein Körper wirkte abgezehrt und geschwächt von Hunger und stand in scharfem Gegensatz zu dem Bild des wohlgenährten Bürgers, das der Ire kurz vorher voller Arroganz beschworen hatte. Es schien einleuchtend, dass ein Mann, der so gut mit Waffen umzugehen verstand, nicht hungern musste, es sei denn, er war zu stolz, um auf unehrliche Weise Abhilfe zu schaffen. So weit musste Sir Orlando dem Jesuiten zustimmen. Dennoch war es möglich, dass der Ire an jenem Tag, vielleicht aus wachsender Verzweiflung, seine Hemmungen überwunden hatte und zum Dieb geworden war.
    Interessiert studierte Trelawney dieses junge Gesicht mit dem harmonischen Knochenbau, das sich mit einem hochmütigen, aber aufrichtigen Ausdruck zu ihm hob. Es lag weder Verschlagenheit noch Niedertracht darin, das sah Sir Orlando mit einem Blick, und er hatte in seiner juristischen Laufbahn gelernt, in den Zügen der Menschen zu lesen. Dieser Mann war sicherlich kein gewohnheitsmäßiger Dieb, und er hatte den Ratsherrn aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht mit einer Waffe bedroht, sondern ihm den Degen gestohlen, als dieser gerade nicht aufpasste. Trelawney vermutete, dass McMahons Vergangenheit als Söldner für die Kaufleute Grund genug war, um ihn als ruchlosen Strolch einzustufen, der so schnell wie möglich an den Galgen gehörte … Sie mochten also in ihren Darstellungen die Gefährlichkeit des Diebes übertrieben haben, aber sie waren angesehene Bürger und hatten unter Eid ausgesagt; ihre Anschuldigungen konnten nicht völlig aus der Luft gegriffen sein, während die Aussage des Angeklagten, in der er jegliche diebische Absicht von sich wies, wenig glaubwürdig erschien.
    Trelawney sah zu dem Jesuiten hinüber, der besorgt den Verlauf der Verhandlung verfolgte. Es war dem Richter beim Erscheinen des Angeklagten sofort klar geworden, dass nur Fauconer ihn eingekleidet und herausgeputzt haben konnte, damit er einen möglichst guten Eindruck auf die Geschworenen machte. Aber hielt er den Iren wirklich für unschuldig? Oder versuchte er, der römische Priester, lediglich, einen Glaubensbruder vor der Strafe einer protestantischen Gerichtsbarkeit zu retten?
    Trelawney zweifelte nicht daran, dass die Jury den Angeklagten schuldig sprechen würde. Sie konnte die Aussage des Pfandleihers und das Geständnis des Iren vor dem Friedensrichter, den Degen an sich genommen zu haben, nicht ignorieren und besaß auch keine Veranlassung, entgegen den Beweisen für einen Freispruch zu entscheiden.
    Sir John Deane hatte die Anklageschrift auf eine Weise aufsetzen lassen, dass McMahon bei einem Schuldspruch der Galgen sicher war. Als ehemaliger Lord Mayor und oberster Friedensrichter besaß er die dazu nötigen juristischen Kenntnisse und hatte sie rücksichtslos angewendet. Dabei wäre es ein Leichtes für ihn gewesen, die Anklage so zu formulieren, dass der Dieb mit einer milderen Strafe davonkäme, wie es von vielen Anklägern, die kein Blut an ihren Händen haben wollten, praktiziert wurde. Diese unangemessene Härte verstärkte Trelawneys Verdacht, dass die Haltung des Ratsherrn nicht frei von Rachegefühlen war und dass es ihm nicht in erster Linie um Gerechtigkeit ging.
    Sir Orlandos Blick kehrte zu dem Angeklagten zurück, der seinen zweiten Leumundszeugen aufrief. Es war kein Mitleid, das sich in ihm regte, sondern ein starker Widerwille gegen Sir Johns Manipulation des Rechts, um sich aus persönlichen Motiven Genugtuung zu verschaffen. Doch letztendlich lag das Leben des Angeklagten in der Hand des Richters, und Trelawney entschloss sich, es zu retten.
    Nachdem alle Zeugen gehört worden waren, trat der Ire zu den anderen Häftlingen zurück, und der nächste Angeklagte in der Reihe wurde an die Schranke gerufen. Als das letzte Verfahren abgeschlossen war, wandte sich Sir Orlando an die Geschworenen: »Gentlemen der Jury, Ihr habt die Aussagen gehört. Nun ist es für Euch an der Zeit, Euch zurückzuziehen und über die Tatfragen zu entscheiden, die Euch vorgelegt wurden, denn Ihr allein seid dafür die rechtmäßigen Richter.« Er fuhr fort, jeden einzelnen Fall in kurzen Worten zusammenzufassen. »… Ihr habt die Anklageschrift gegen Brendan McMahon

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