Die Richter des Königs (German Edition)
zuredeten, wartete ein wimmernder Patient mit einer geschwollenen Backe sehnsüchtig auf die Rückkehr des Wundarztes, während Mistress Brewster Jeremy diskret zuflüsterte, dass sie vor wenigen Minuten eine gewisse Dame in seine Kammer geführt habe.
»Legen wir ihn auf den Operationstisch«, entschied Alan. »Behandelt Ihr seine Wunden, während ich mich um Mr. Boones Zahn kümmere.«
Verfolgt von den betroffenen Blicken der Anwesenden, schleppten die beiden Freunde den Iren in den hinteren Bereich der Werkstatt und ließen ihn bäuchlings auf die lange Tischplatte sinken. In diesem Moment kam Lady St. Clair, die die Ankunft der Männer gehört hatte, die Treppe herunter. Alan schob eine hölzerne Trennwand zwischen den Tisch und den Patienten mit den Zahnschmerzen, um ihm den Anblick des Verletzten zu ersparen, als Amoret sich neugierig näherte.
»Was ist passiert? Hat es einen Unfall gegeben?«, fragte sie und trat zu Jeremy, während dieser mit einer vorsichtigen Bewegung den Umhang zurückschlug, der bisher Breandáns Wunden verdeckt hatte.
»Heilige Jungfrau!«, rief Amoret entsetzt. Sie fühlte, wie sich ihr der Magen umdrehte, und tastete nach einem Halt, weil sich schlagartig ein dunkler Schleier über ihre Augen legte.
Jeremy sah sie missbilligend an und erklärte streng: »Das ist kein Anblick für Euch, Madam, geht zurück in meine Kammer. Ich komme zu Euch, sobald ich kann.«
Doch sie schüttelte abwehrend den Kopf. »Nein, es geht schon. Ich habe nur noch nie so schreckliche Wunden gesehen. Welcher Teufel hat den armen Kerl so zugerichtet?«
»Der Henker«, entgegnete Jeremy düster. »Oder vielmehr eine unbarmherzige Gerichtsbarkeit.«
»Aber was hat er getan?«
»Nichts! Er war zur falschen Zeit am falschen Ort und hat ein paar feinen Herren auf die Füße getreten.« Jeremy wandte sich ab, um sich in einer bereitstehenden Schüssel die Hände zu waschen. Er versuchte auf diese Weise, ihre bestürzten Blicke zu meiden, spürte sie aber im Rücken, ohne hinsehen zu müssen. Es ärgerte ihn, dass sie nicht gehorchte und in seiner Kammer auf ihn wartete, denn er wollte sie nicht in der Nähe haben, wollte ihr den Anblick von Leid und Grausamkeit nicht zumuten. Es würde ihr, die im Luxus lebte, nur den Seelenfrieden rauben und ihr die Freude am Dasein nehmen. Als er sich wieder zu ihr umdrehte, sah er, dass sie an den Tisch herangetreten war, um den Bewusstlosen näher zu betrachten. Dabei fing sie den Geruch von Schmutz, Schweiß und Blut auf, der von ihm ausging, und rümpfte angewidert die Nase. »Puh, er stinkt wie ein Schwein!«
»Mit Verlaub, Madam, aber das würdet Ihr auch, wenn Ihr wie er einige Wochen im Newgate verbracht hättet!«, erklärte Jeremy sarkastisch, während er das Wasser wegschüttete, eine Flasche vom Regal nahm und einen Teil des Inhalts in die Schüssel goss.
»Was ist das?«, fragte Amoret neugierig.
»Branntwein. Schon die Griechen benutzten Essigwasser oder Wein, um Wunden zu waschen. Ich selbst habe bisher mit Branntwein die besten Erfahrungen gemacht.«
Amoret beobachtete interessiert, wie der Priester einen sauberen Leinenstreifen zusammenknüllte, mit Branntwein tränkte und sich dann mit äußerster Behutsamkeit daranmachte, die Peitschenstriemen abzutupfen. Zum Glück war Breandán noch immer ohnmächtig, so dass er nichts von der Behandlung spürte. Seine Verletzungen erschienen Amoret so furchtbar, dass sie sich kaum vorstellen konnte, wie sie jemals heilen sollten. Sie verspürte grenzenloses Mitleid und einen hemmungslosen Zorn, der ihr die Kehle zuschnürte, weil es Menschen gab, die einen anderen, der sich nicht wehren konnte, gnadenlos quälen und verstümmeln durften. Ihre Gefühle waren so stark, dass jeglicher Widerwille gegen Dreck und Gestank verdrängt wurde, und als Jeremy die Wunden an den Schultern des jungen Mannes behandelte, legte Amoret ohne Zögern die Hand auf Breandáns Haar und strich es zur Seite, damit der Jesuit die Striemen an seinem Nacken säubern konnte.
Die ganze Zeit über war das Jammern und Seufzen des Patienten mit den Zahnschmerzen zu ihnen herübergedrungen. Schließlich tauchte Alan mit angespanntem Gesichtsausdruck an Jeremys Seite auf und sagte leise zu ihm: »Ich brauche Eure Hilfe. Der Zahn sitzt verdammt fest, und Mr. Boone zappelt herum wie ein Aal, so dass ich den Pelikan nicht richtig ansetzen kann.«
»Ich komme«, sagte Jeremy mit einem kurzen Nicken. »Madam, würdet Ihr so lange bei ihm bleiben,
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