Die Richter des Königs (German Edition)
falls er aufwacht.« Er legte den inzwischen mit Blut getränkten Leinenstreifen in die Schüssel und verschwand mit Alan hinter der Trennwand. Kurz darauf setzte das angstvolle Heulen des Patienten wieder ein.
Amoret verspürte das Bedürfnis nach Betätigung und leerte nach kurzem Zögern die Schüssel in einem unter dem Tisch stehenden Eimer aus, füllte sie erneut mit Branntwein und nahm einen frischen Leinenstreifen vom Stapel. An die tiefen Wunden an Rücken und Schultern des jungen Mannes traute sie sich jedoch nicht heran, und so nahm sie eine seiner über den Rand des Tisches herabbaumelnden Hände und wusch behutsam die Striemen an seinen Handgelenken, wo Ketten und Stricke die Haut abgeschält hatten. Es tat ihr wohl, einmal eine nützliche Arbeit zu tun, auch wenn beim Geruch des Blutes ihr Magen revoltierte und ihre Knie weich wurden.
Offenbar war es dem Wundarzt nun endlich gelungen, sein Instrument an dem schmerzenden Zahn anzusetzen, denn das gleichmäßige Jammern des Patienten ging plötzlich in ein markerschütterndes Brüllen über, das laut genug war, um Tote aufzuwecken.
Amoret fühlte, wie ein krampfartiges Zittern durch den Körper des jungen Mannes lief, als das Geschrei ihn jäh aus seiner Bewusstlosigkeit riss. Er hob ruckartig den Kopf, und aus seinen weit aufgerissenen, blauen Augen sprang ihr ein Blick voller Panik und Entsetzen entgegen. Sie hatte Angst, er könne aufspringen und sich dabei noch mehr verletzen, und so drückte sie unwillkürlich seine Hand, die in der ihren lag, um ihn zu beruhigen und festzuhalten. »Sch, es ist alles in Ordnung«, sagte sie sanft. »Ihr seid in Meister Ridgeways Chirurgenstube, und das Schreien, das Ihr hört, stammt von einem zimperlichen Patienten, dem gerade ein Zahn gezogen wird. Bleibt still liegen, sonst brechen Eure Wunden wieder auf.«
Die großen blauen Augen starrten sie verwirrt an. Ihre Worte hatten Breandáns Bewusstsein nicht erreicht, doch ihr Anblick allein genügte, um den Anflug von Furcht und Schrecken zu verscheuchen, der aus seiner Erinnerung aufgestiegen war. Sein jähes Aufbäumen hatte die Striemen an seinen Schultern wieder aufgerissen. Stöhnend vor Schmerzen, ließ er den Kopf sinken, bis seine rechte Wange das glatte Holz des Tisches berührte. Amoret, die noch immer seine Hand hielt, betrachtete voller Anteilnahme das Profil seines mit Schmutz, Blut und Bartstoppeln bedeckten Gesichts. »Meister Ridgeway kommt gleich, um Euch zu behandeln. Sicher kann er Euch auch etwas gegen die Schmerzen geben.«
Er verdrehte seine Augen, um sie ansehen zu können, ohne den Kopf zu heben, und murmelte: »Seid Ihr Meister Ridgeways Frau?«
»Nein«, antwortete Amoret lächelnd. »Ich bin nur ein Gast des Hauses. Man hat mich gebeten, bei Euch zu wachen.« Sie fuhr fort, seine zerschundenen Handgelenke zu waschen, und bemerkte, dass er trotz seiner Schmerzen den Kopf wandte, um sie anzusehen. Und schließlich ertappte sie sich dabei, dass auch sie die Augen nicht von seinem Gesicht abwenden konnte, sosehr sie sich auch bemühte.
Als Jeremy und Alan bei ihrer Rückkehr die junge Lady so hingebungsvoll bei der Arbeit sahen, mussten beide schmunzeln. »Madam, Ihr wollt mich wohl brotlos machen«, spöttelte der Wundarzt.
Amoret wandte sich überrascht zu ihnen um, als sei sie tief in Gedanken versunken gewesen. Nur widerwillig ließ sie die Hand des Iren los und legte den Stoffstreifen in die Schüssel zurück.
»Es tut mir Leid, dass Ihr warten musstet, Madam, aber jetzt habe ich Zeit für Euch«, sagte Jeremy und machte eine auffordernde Handbewegung in Richtung Treppe. »Meister Ridgeway wird sich derweil um den Patienten kümmern.«
In seiner Kammer bot er ihr wie stets seinen besten Stuhl an und nahm selbst auf einem Schemel Platz.
»Eigentlich bin ich nur gekommen, um Euch Geld zu bringen«, gestand Amoret mit einem kleinen Lächeln. »Meister Ridgeway ließ durchblicken, dass Ihr in der letzten Zeit mehr Ausgaben als sonst hattet, weil Ihr einem zu Unrecht Angeklagten helfen wolltet. War das der Mann, um den es ging?«
»Ja, sein Name ist Breandán Mac Mathúna. Ich habe ihn im Zusammenhang mit dem Mordanschlag auf Richter Trelawney erwähnt, wenn Ihr Euch erinnert.«
Amoret nickte. »Erzählt mir mehr von ihm«, bat sie.
Jeremy runzelte flüchtig die Stirn, weil er sich über ihr offenkundiges Interesse wunderte. Aber sie war schon als kleines Mädchen überaus neugierig gewesen, und so berichtete er ihr in kurzen
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