Die Richter des Königs (German Edition)
und führte ihn in seine Kammer. Breandán beobachtete verständnislos, wie der Jesuit einen zusätzlichen Hocker an den mit Papieren bedeckten Tisch rückte und ihn mit einer einladenden Geste aufforderte, neben ihm Platz zu nehmen. Mit ein paar geschickten Handgriffen, die lange Übung verrieten, schnitt Jeremy einen Federkiel zurecht, tunkte die Spitze in ein Tintenfass und begann, auf einem leeren Blatt Papier das lateinische Alphabet aufzureihen.
»Es ist höchste Zeit, dass Ihr Lesen und Schreiben lernt«, verkündete Jeremy und streifte den jungen Mann an seiner Seite mit einem warmen Blick. »Leider kann ich Euch nicht zeigen, wie man Euren Namen schreibt, weil ich das gälische Alphabet nicht beherrsche. Aber einer meiner Ordensbrüder, der in St. Giles arbeitet, ist Ire. Ich werde es mir bei Gelegenheit von ihm beibringen lassen.«
Breandán starrte ihn nur ungläubig an. »Ihr wollt Euch tatsächlich die Mühe machen, mich im Schreiben zu unterrichten?«
»Warum nicht? Ihr sprecht vier Sprachen, da solltet Ihr auch in der Lage sein, sie zu lesen und zu schreiben. Es erfordert hartes und diszipliniertes Lernen, darüber müsst Ihr Euch im Klaren sein. Aber wenn Ihr es wirklich wollt, werdet Ihr es auch schaffen.«
»Ich dachte, ich sollte für Meister Ridgeway arbeiten«, wandte Breandán verwirrt ein.
Jeremy machte eine wegwerfende Handbewegung. »Macht Euch darum keine Sorgen. Im Augenblick ist nicht viel zu tun. Da bleibt Euch genug Zeit zum Lernen.«
»Pater, ich werde das Gefühl nicht los, dass Ihr mir etwas verschweigt.«
»Mag sein, aber Ihr braucht schließlich nicht alles zu wissen. Nutzt die Chance, die sich Euch bietet, und macht etwas daraus.«
Breandán blickte nachdenklich auf die Buchstaben, die der Jesuit eben niedergeschrieben hatte. Ja, er wünschte sich von ganzem Herzen, diese mysteriösen Schriftzeichen entziffern zu können, er wollte lernen, verstehen, sich Zugang zu dem Geheimnis des Wissens verschaffen. Und er war dem Mann neben ihm unendlich dankbar, dass er ihm dies ermöglichen wollte.
»Wenn Ihr erst schreiben könnt, werde ich Euch noch in Latein unterrichten«, schlug Jeremy eifrig vor. »Als Gegenleistung könnt Ihr mir Gälisch beibringen. Vielleicht führt mich mein Weg einmal nach Irland, wer weiß!«
Der Hof war auf dem Weg zur Königlichen Kapelle. Amoret St. Clair blieb wie stets unauffällig zurück, denn als Katholikin nahm sie am anglikanischen Gottesdienst nicht teil, sondern hörte gewöhnlich die Messe in der Kapelle der Königin im St.-James-Palast. Charles würde sie ohnehin nicht vermissen. Er hatte schon seit längerem nur noch Augen für Frances Stewart, »La Belle Stewart«, wie sie genannt wurde, eine unschuldige, etwas kindische, junge Frau aus einer guten schottischen Familie, die seine beharrliche Werbung eisern zurückwies, weil sie jungfräulich in die Ehe gehen wollte.
Amoret war sich nicht sicher, ob der König Frances tatsächlich liebte oder ob er nur glaubte, sie zu lieben, weil er sie nicht haben konnte. Sie wusste nur, dass er unter der Zurückweisung litt, und verspürte Mitleid mit ihm. Wenn er zu ihr kam, tat sie alles, um ihn zu trösten, und oftmals suchte er sie nur auf, um mit ihr zu plaudern und sich von seiner Enttäuschung ablenken zu lassen.
»Ihr seid eine bemerkenswerte Frau, meine süße Amoret«, sagte Charles einmal. »Ihr fordert nie etwas. Ihr seid die Einzige hier an meinem Hof, die mich nie um einen Gefallen gebeten hat. Ihr quält mich nie mit Eifersüchteleien, und Ihr weist mich nie ab. Eure Genügsamkeit ist geradezu beängstigend. Ihr seid entweder ein Engel oder eine Spionin meines lieben Vetters Louis. Irgendeine Schattenseite müsst doch auch Ihr besitzen!«
Amoret lachte amüsiert. »Sire, warum sagt Ihr nicht gleich, dass Ihr mich langweilig findet.«
Der König trat hinter sie und küsste ihren Nacken. »Wie ungerecht das Schicksal doch ist!«, stieß er inbrünstig hervor. »Weshalb nur bin ich nicht in Euch verliebt! Ihr seid so herrlich unkompliziert.«
»Vielleicht mache ich es Euch zu einfach, Sire. Oft will man gerade das, was unerreichbar ist.«
»Vielleicht«, stimmte Charles schwermütig zu. »Aber es gibt Momente, da ich es ehrlich bedaure, dass Ihr mir mehr Freundschaft als Leidenschaft einflößt. Ich möchte Euch glücklich sehen. Wenn es jemanden geben sollte, den Ihr zu ehelichen wünscht, so werde ich Euch keine Hindernisse in den Weg legen.«
»Es gibt niemanden, Sire.«
»Ihr
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