Die Richter des Königs (German Edition)
Worten, was er über die Vergangenheit des jungen Iren wusste, und erläuterte ihr, wie es zu der Gerichtsverhandlung und dem Urteil gekommen war, dessen furchtbare Spuren sie eben mit eigenen Augen gesehen hatte.
»Werdet Ihr ihn hier behalten?«, erkundigte sich Amoret.
»Meister Ridgeway hat eine Bürgschaft für ihn übernommen, sonst hätte man ihn ins Zuchthaus geschickt. Wenn seine Wunden geheilt sind, kann er sich im Haus nützlich machen. Dafür erhält er freie Kost und Logis.«
Amoret erhob sich, holte unter ihrem Kapuzenmantel, den sie bei ihrer Ankunft auf das Baldachinbett gelegt hatte, einen Lederbeutel hervor und reichte ihn Jeremy. »Ich möchte Euch bitten, einen Teil des Geldes für Mr. Mac Mathúna aufzuwenden. Er braucht doch sicher Kleidung und andere Dinge. Ich bringe Euch dann beim nächsten Mal mehr.«
»Das ist sehr großzügig von Euch, Madam. Besonders gegenüber einem Mann, den Ihr heute zum ersten Mal gesehen habt.« Jeremy nahm ihren Mantel vom Bett und legte ihn um ihre Schultern. »Ich hoffe, Ihr seid nicht allein gekommen, Madam. Es wäre mir lieber, Ihr würdet Euch von Eurer Kutsche herbringen lassen, als Euch zu Fuß auf die Straße zu wagen.«
»Ihr wisst genau, dass es zu auffällig wäre, wenn die Kutsche der Lady St. Clair allzu oft vor der Tür eines einfachen Wundarztes gesehen würde. Es ist weitaus sicherer, wenn ich als einfache Bürgersfrau verkleidet zu Euch komme. Aber ich bin nicht leichtsinnig. Der Diener, der mich begleitet, ist mit zwei Pistolen bewaffnet.«
»Wo ist er? Ich habe ihn nicht gesehen.«
»Er lässt sich in Meister Ridgeways gut bestückter Küche verköstigen.«
»Die wir, wie ich inzwischen weiß, Eurer Freigebigkeit verdanken, Madam.«
Amoret warf ihm ein unschuldiges Lächeln zu, das ihn wie stets entwaffnete.
»Ich geleite Euch zur Tür«, sagte er abschließend.
Beim Durchqueren der Werkstatt blieb Amoret noch einmal stehen, um einen Blick zu der durch den Wandschirm abgeteilten, hinteren Ecke des Raumes hinüberzuwerfen. Der Verletzte saß jetzt auf einer Holzbank, und neben ihm stieg heißer Wasserdampf aus einem Zuber auf. Sein Körper war nackt bis auf ein Handtuch, das über seinem Schoß lag. Da seine Wunden ihm kein Bad erlaubten, hatte Alan ihn von Kopf bis Fuß abgeschrubbt, um den Dreck und Gestank des Newgate abzuwaschen. Anschließend hatte er ihn rasiert und war nun dabei, ihn zu entlausen. Das lange Haar war so hoffnungslos verknotet gewesen, dass Alan es hatte abschneiden müssen. Nun reichten dem Iren die nassen Strähnen nur noch bis in den Nacken und fielen ihm zerzaust in die Stirn. Als Amoret zu ihm hinübersah, hob Breandán den Kopf, und sie begegnete dem durchdringenden Blick seiner klaren, blauen Augen. Da war keine Furcht, keine Hilflosigkeit mehr, sondern nur noch der trotzige Wille zu überleben. Sie wunderte sich, wie jung er mit einem Mal wirkte, ohne den Bartschatten, das eingetrocknete Blut auf seinen zerbissenen Lippen und den Schmutz, der seiner Haut eine kränklich graue Färbung verliehen hatte. Es fiel Amoret schwer, sich von seinem Anblick loszureißen und ihre Beine zum Weitergehen zu zwingen. An der Tür drehte sie sich noch einmal um, konnte den jungen Mann aber nicht mehr sehen, da die Trennwand ihn nun verdeckte. Mit einem starken Gefühl der Enttäuschung trat sie, gefolgt von ihrem Diener, auf die lärmende Straße hinaus und schlug den Weg zur Anlegestelle von Blackfriars ein.
Jeremy kehrte zu Breandán zurück, der mit gesenktem Kopf auf der Bank saß und die Behandlung des Wundarztes schweigend über sich ergehen ließ.
»Ich habe ihm Mohnsaft gegen die Schmerzen gegeben«, bemerkte Alan. »Bringen wir ihn ins Bett, bevor er einschläft.«
Gemeinsam halfen sie Breandán in die Dachkammer, die John bisher allein bewohnt hatte, und legten ihn, mit dem Bauch nach unten, auf die freie Seite des breiten Baldachinbetts. Der Geselle hatte sich nicht sehr begeistert gezeigt, als sein Meister ihm ankündigte, dass er fortan seine Kammer mit einem verurteilten Sträfling teilen musste, und es hatte Alan einiges an Süßholzraspelei gekostet, sein Murren zum Schweigen zu bringen.
»Ich hoffe nur, dass ich meine Mildtätigkeit nicht eines Tages bereuen muss«, flachste Alan, bevor er wieder an die Arbeit ging.
Sechzehntes Kapitel
B reandán war in einen tiefen Erschöpfungsschlaf gefallen, aus dem er eine Nacht und einen Tag lang nicht mehr erwachte. Als Jeremy am folgenden Abend nach
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