Die Richter des Königs (German Edition)
versichere Euch, dass ich alles tun werde, um Euren Onkel vor Schaden zu bewahren. Da der Unbekannte ein so heimtückisches Mittel wie Gift anwendet, habe ich Seiner Lordschaft geraten, künftig seine Speisen und Getränke hiermit zu prüfen.« Jeremy hob die Hand und zeigte Esther das Horn. »Es stammt vom Einhorn und besitzt, wie Ihr vielleicht wisst, die Fähigkeit, Gift zu erkennen. Sollte der Täter dumm genug sein, dennoch einen weiteren Versuch zu wagen, werden wir ihn hiermit endlich entlarven.«
Jeremy hatte so viel Überzeugung wie möglich in seine Stimme gelegt und sah, dass sie tatsächlich beeindruckt war. Das stimmte ihn ein wenig zuversichtlicher.
»Euer Onkel hat Euch vermisst, als wir kamen«, fügte er hinzu. »Wo wart Ihr?«
»Was geht Euch das an?«, gab Esther abweisend zurück.
»Ihr seid zu Mistress Mary Peckham gegangen und habt mit ihr heimlich das Haus verlassen. Habt Ihr Eurer Freundin geholfen, sich mit ihrem Verehrer zu treffen?«
»Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.«
»Mistress Peckham hat mir gegenüber bereits zugegeben, dass ein Jurastudent ihr gegen den Willen ihres Vaters den Hof macht. Ich kenne den jungen Mann übrigens recht gut. Er ist sehr ehrgeizig.«
»Die Pocken über Euch!«, schrie Esther ungehalten. »Ihr seid ein Schnüffler der schlimmsten Sorte.«
»Eure Heimlichtuerei macht Euch verdächtig, Madam. Sagt mir lieber offen, wo Ihr wart, anstatt dieses Versteckspiel weiterzuführen. Wenn Ihr mir nicht antworten wollt, gut, ich kann Euch nicht zwingen, aber Euer Onkel wird Euch dieselbe Frage stellen, und ihm müsst Ihr antworten.«
»Geht zum Teufel!« Mit eisigem Blick schob sie sich an ihm vorbei und verschwand ohne ein weiteres Wort im ersten Stock.
Achtzehntes Kapitel
B reandán drehte den eisernen Griff des kleinen Dachstubenfensters und drückte den Flügel nach außen. Für einen Moment fingen sich die Sonnenstrahlen in den rautenförmigen Glasscheiben und ließen sie gleißend aufleuchten.
Es war noch früh am Morgen, doch Breandán war es gewöhnt, mit den Hühnern aufzustehen – im Gegensatz zu John, der noch immer ungestört hinter den zugezogenen Vorhängen des Baldachinbetts schnarchte. Der Geselle hatte seine ablehnende Haltung seinem unerwünschten Mitbewohner gegenüber nicht geändert, trotz aller Versuche seines Meisters, zwischen den beiden jungen Männern zu vermitteln. John war kein streitsüchtiger Mensch, aber wenn ihn der Teufel ritt, versuchte er, den Iren absichtlich zu reizen und zu Handgreiflichkeiten zu provozieren. Meister Ridgeway bliebe dann keine andere Wahl, als den Spitzbuben des Hauses zu verweisen, dachte sich John. Doch Breandán erriet Johns versteckte Absicht und gab sich alle Mühe, nicht die Beherrschung zu verlieren, wenn der Geselle ihm boshafte Bemerkungen an den Kopf warf. Er hatte Pater Blackshaws Warnung nicht vergessen und war klug genug, sein Refugium nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
Die frühen Morgenstunden, wenn das Haus noch in tiefem Schlaf lag, waren die einzige Zeit des Tages, da Breandán ungestört seinen Gedanken nachhängen konnte. Er saß auf einer grob gezimmerten Eichentruhe und blickte durch das kleine Fenster auf die Stadt London hinaus, über das Zickzack unendlich vieler Satteldächer, die sich eng aneinander reihten, manche mit blassroten Ziegeln, andere mit graugelbem Stroh gedeckt. Dazwischen ragten überall die quadratischen Glockentürme der romanischen Kirchen auf, die mit ihren Zinnenkränzen und schlanken Ecktürmchen an alte Burgen erinnerten. Sie waren Zeugen einer vergangenen Zeit. Auf den Dächern der Häuser spross ein dicht stehender Wald hoher Schornsteine. Aus ihnen würde bald der schwefelhaltige Rauch unzähliger Herdfeuer in die klare Morgenluft aufsteigen und den blauen Himmel in kürzester Zeit unter einer grauen Dunstglocke verschwinden lassen. Nur die Reichen konnten es sich leisten, mit Holz zu heizen. Die ärmeren Haushalte mussten mit der billigeren Steinkohle aus Newcastle vorlieb nehmen. Der feine Ruß, den ihr Rauch hinterließ, legte sich wie ein schwarzer Schleier über Häuser und Gassen, drang in jede Kammer und verdarb die Wäsche in den Truhen.
Unten im Garten, der hinter dem Haus lag, regte sich etwas, und Breandán beugte sich ein wenig vor, um zu sehen, wer schon so früh auf war. Tim, der Lehrjunge, eilte schnellen Schrittes an Schuppen und Kräuterbeeten vorbei zum Abort, der sich in einem kleinen separaten Verschlag befand. Darunter
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