Die Richter des Königs (German Edition)
darauf ein. Diese Höflinge wissen vor Langeweile nicht, was sie tun sollen. Sie können es sich leisten, einer Laune nachzugeben und einen streunenden Köter von der Straße zu holen, um ihn hochzupäppeln und ein bisschen zu verhätscheln. Aber wenn sie ihn satt haben, geben sie ihm einfach einen Fußtritt. Also genieße es, solange du kannst.«
John hatte es darauf angelegt, sein Gegenüber zu verletzen, und es gelang ihm auch. Gereizt sprang Breandán von der Truhe herab und stürzte zum Bett, auf dessen Rand der Geselle noch immer saß und ihn herausfordernd angrinste. Ein Rest Vernunft bremste Breandán jedoch. Wie um sich selbst zurückzuhalten, klammerte er sich mit beiden Händen an den massiven Bettpfosten, bis die Knöchel weiß unter der Haut hervortraten. »Du verdammter Bastard!«, grollte er.
Johns Gesicht nahm einen enttäuschten Ausdruck an. Er sehnte sich nicht nach einer Tracht Prügel, weiß Gott nicht, aber es war die einzige Möglichkeit, den Iren loszuwerden. Offenbar hatte dieser sich jedoch besser im Griff als erwartet. Mit einem Seufzen erhob sich der Geselle, zog seine Kleider über und verließ die Dachstube.
Noch immer bebend vor Zorn, sah Breandán ihm nach. Dann erst gelang es ihm, sich zu entspannen und seine verkrampften Hände von dem rettenden Pfosten zu lösen. Im Geiste hatte er sie um Johns dünnen Hals gelegt und mit aller Kraft zugedrückt. Die Vorstellung trat an die Stelle der Tat, und er bemerkte mit Erleichterung, dass ihm dies genügte, um seine Wut loszuwerden. Er atmete einige Male tief ein und aus, danach fühlte er sich besser.
Auf der Truhe, auf der er zuvor gesessen hatte, standen ein Krug mit Wasser und eine Schüssel aus Zinn. Breandán schlüpfte aus dem Leinennachthemd und begann, sich Oberkörper und Gesicht zu waschen. Nach seinem wochenlangen Aufenthalt in den schmutzigen Kerkern des Newgate hatte er nun Geschmack daran gefunden, sich sauber zu fühlen. Er genoss die prickelnde Berührung des Wassers auf der Haut, die Müdigkeit und Trägheit verscheuchte und auch den Geist erfrischte. Nachdem er sich rasiert hatte, verteilte er ein wenig Salz auf einem Finger und rieb sich damit die Zähne ab, um den Belag zu entfernen. Schließlich kämmte er sich noch die Haare, bevor er seine Kleider überzog und über die knarrende Stiege ins Erdgeschoss hinabstieg.
In der Küche trank Breandán mit Meister Ridgeway, John und Tim sein Morgenbier und aß eine mit Butter bestrichene Scheibe Brot dazu. Pater Blackshaw hatte das Haus schon früh verlassen, um sich mit seinem irischen Ordensbruder in St. Giles zu treffen.
Während die anderen an die Arbeit gingen, zog Breandán sich wie gewöhnlich in die Kammer des Jesuiten zurück und machte sich ans Lernen. Doch an diesem Tag fand er das erste Mal seit langem nicht mehr die Ruhe dazu. Schließlich gab er es auf, trat ans Fenster und beobachtete das geschäftige Treiben auf der Paternoster Row. Wie bei den meisten alten Fachwerkhäusern des Stadtkerns kragte das Stockwerk, in dem Breandán sich befand, ein wenig über die Straße. In manchen der schmaleren Gässchen konnten sich die Bewohner durch die Fenster die Hände reichen, so nah neigten sich die oberen Geschosse einander zu.
Um besser sehen zu können, steckte Breandán den Kopf zum Fenster hinaus und hielt in dem Gewühl von Kutschen, Fuhrwerken und Reitern Ausschau nach einer schlanken Gestalt im Kapuzenmantel. Doch selbst wenn Amoret St. Clair schon zu so früher Stunde zu Besuch käme, was nicht wahrscheinlich war, würde es ihm kaum gelingen, sie zu entdecken, denn Fußgänger bewegten sich in den Straßen von London so nah wie möglich an den Fassaden der Häuser entlang, um einigermaßen vom aufgewirbelten Schmutz verschont zu bleiben. Ein zweiter Grund war die Gefahr, von einem warmen Schauer durchnässt zu werden, sofern man nicht geistesgegenwärtig und gelenkig genug war, auf den Warnruf: »Vorsicht, Wasser!« zu reagieren und rechtzeitig zur Seite zu springen. Und so zog auch Breandán hastig den Kopf ein, als er hörte, wie über ihm der Fensterflügel geöffnet wurde und die Magd Susan den Inhalt eines Nachttopfs auf die Straße entleerte.
Enttäuscht und voller Ungeduld setzte sich der junge Ire an den Tisch und nahm die Feder zur Hand, nur um sie kurz darauf wieder sinken zu lassen. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab und wandten sich Lady St. Clair zu. Auf einmal hatte er ein ganz anderes Bild von ihr als zuvor. Sie war nicht mehr die
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