Die Richter des Königs (German Edition)
bestätigte die Aussage von Sir Michaels Freunden. Ihr Gatte habe zwar früher übermäßig getrunken, seine Gewohnheiten aber bereits einige Jahre vor seinem Tod grundlegend geändert.«
»Er hat aufgehört zu trinken?«, fragte Jeremy verwundert. »Sagte sie, warum?«
»Anscheinend hatte er starke Magenschmerzen, die sich verschlimmerten, wenn er trank.«
»Wurde seine Leiche seziert?«
»Nein. Da es sich um einen Unfall handelte, hielt der Leichenbeschauer dies nicht für nötig.«
»Bedauerlich. Eine Untersuchung des Magens hätte Aufschluss darüber geben können, ob Sir Michael an einem Geschwür litt, wie ich vermute«, erklärte Jeremy nachdenklich. »Wenn er also nicht betrunken war, als er allein nach Hause ritt, wie kam es dann zu dem Unfall? Scheute sein Pferd und warf ihn ab? Dann hätte man ihn sicherlich auf der Straße gefunden.«
»Er könnte gerade über eine der Brücken geritten sein, die über den Fleet führen, als er abgeworfen wurde.«
»Möglich – aber ich halte das nicht für wahrscheinlich. Nein, Sir Michaels Tod ist sehr verdächtig. Er war allein unterwegs und wurde scheinbar das Opfer eines Unfalls. Die Umstände erinnern mich doch stark an die Vorgehensweise unseres geheimnisvollen Mörders, meint Ihr nicht auch, Mr. Jeffreys?«
»Aber wie wollt Ihr das beweisen?«, warf der Student ein.
»Im Moment geht es mir in erster Linie darum, eine Verbindung zwischen den Opfern herzustellen, denn das Motiv des Täters ist mir nach wie vor ein Rätsel.«
»Es scheint, als hege jemand einen Groll gegen Juristen.«
»Mehr als einen Groll, würde ich sagen. Man muss einen Menschen schon sehr hassen, um ihn kaltblütig umzubringen. Ich verstehe nur nicht, wie er seine Opfer auswählt. Anfangs dachte ich, er habe es allein auf die Richter des Königreichs abgesehen. Doch nun kommt anscheinend noch ein Kronanwalt dazu. Wo wird er aufhören?«
»Nun, ich kann nur hoffen, dass er wenigstens vor Jurastudenten Halt macht«, bemerkte George Jeffreys zynisch.
»Ihr werdet nicht immer Student bleiben, sondern früher oder später in die höheren Ränge der Justiz aufsteigen. Aber das könnt Ihr nur, wenn diejenigen, die über Euch stehen, ihre Plätze freigeben.«
»Wollt Ihr damit sagen, dass es in meinem Interesse läge, wenn hochrangige Juristen eines frühen Todes stürben?«
»Ist es denn nicht so?«
»Bei der großen Zahl brotloser junger Advokaten wären sie mir lebendig viel nützlicher als tot, das könnt Ihr mir glauben, Sir«, widersprach Jeffreys gelassen. »Man kommt vor allem durch Beziehungen an die Spitze. Ohne diese ist man nur einer unter vielen.«
Jeremy wusste, dass der Student Recht hatte. Nur ein Jurist, der sich bereits einen Namen gemacht hatte, konnte beim Ausscheiden eines Richters hoffen, seinen Platz einzunehmen. Dieses Motiv fiel in Bezug auf den jungen Jeffreys weg.
»Ihr habt also noch keine Idee, was das Motiv des Mörders sein könnte?«, rekapitulierte der Student.
»Nein, leider nicht. Ich werde weiterforschen müssen. Haltet Augen und Ohren offen, Mr. Jeffreys, vielleicht stoßt Ihr auf irgendetwas, das uns weiterbringt.«
»In diesem Fall werde ich Euch umgehend benachrichtigen. Übrigens, der Wundarzt in der Paternoster Row, bei dem Ihr lebt – Meister Ridgeway –, arbeitet er nicht hin und wieder für den Leichenbeschauer?«
Jeremy verspürte ein ungutes Gefühl, ließ sich aber nichts anmerken. »Woher wisst Ihr, dass ich dort wohne?«, fragte er. »Habt Ihr mir nachspioniert?«
»Ihr macht mich eben neugierig. Man trifft nicht oft einen studierten Arzt, der sich für das Handwerk der Chirurgie interessiert.«
»Ich bin der Meinung, dass sich innere Medizin und Chirurgie nicht trennen lassen, auch wenn die Königliche Ärztekammer das anders sieht.«
»Ihr beeindruckt mich immer mehr, Dr. Fauconer. Weder die gelehrten Medici noch die groben Knochenschuster haben mir bisher viel Vertrauen eingeflößt. Ihr dagegen habt den Mut, Euren Verstand zu gebrauchen und einige der althergebrachten Lehren in Frage zu stellen. Ich werde mich bemühen, in Zukunft Eurem Beispiel zu folgen. Und nun entschuldigt mich. Ich schätze, ich sollte mich noch eine Weile meinem Studium widmen. Wer nach oben kommen will, muss büffeln.«
Die zwölf Richter des Königreichs hatten sich im Serjeants’ Inn auf der Fleet Street versammelt. Sir Orlando Trelawney, der die Zusammenkunft einberufen hatte, ergriff das Wort: »Brüder, ich habe um diese Besprechung
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