Die Richter des Königs (German Edition)
abtupfte, um es von Blut, Schweiß und Straßenschlamm zu reinigen.
Jeremy widerstand dem Impuls, sie wegzuschicken, obwohl er ihr den Anblick der schrecklichen Verletzungen in ihrem Zustand lieber erspart hätte. Er brauchte ihre Hilfe und war dankbar, dass sie da war.
»Madam, haltet für einen Moment die Lampe«, bat er. »Breandán, John, Ihr müsst mir helfen, den Bruch einzurichten.«
Er zeigte ihnen, wie sie den Arm strecken mussten, damit er die beiden Enden des Knochens wieder zusammenfügen konnte. Inzwischen hatte Tim damit begonnen, Leinenbinden mit einer Klebemischung aus Eiweiß, Öl, Mehlstaub und anderen Zutaten zu tränken. Diese würden nach kurzer Zeit erhärten und so den Knochen stützen.
Nachdem Jeremy die Wunde genäht hatte, fixierte er Alans Oberarm mit dem Eiweißverband in angewinkelter Stellung an dessen Rumpf, wobei er die Naht zunächst frei ließ und sie dann mit einer separaten Binde abdeckte, damit sie leicht zugänglich blieb.
Mit einem tiefen Seufzer streckte der Priester schließlich seinen verspannten Rücken. Mehr konnte er im Moment nicht für seinen Freund tun. Er spürte den Schweiß über seine Schläfen rinnen und nahm mechanisch das Tuch entgegen, das Amoret ihm reichte.
»Wie steht es um ihn, Dr. Fauconer?«, fragte Sir Orlando. Er trat aus dem unbeleuchteten Bereich der Chirurgenstube nahe der Tür, wo er schweigend auf das Ende der Behandlung gewartet hatte, an den Operationstisch heran und warf einen mitfühlenden Blick auf den bewusstlosen Wundarzt.
Jeremys Gesicht blieb düster. »Ich habe alles für ihn getan, was ich konnte. Jetzt liegt sein Leben allein in Gottes Hand«, sagte er ausweichend.
Der Richter nickte, um zu zeigen, dass er verstand. »Ich habe einen Konstabler angewiesen, die Aussagen der Passanten aufzunehmen. Sie stimmen darin überein, dass es sich nicht um einen Unfall handelte. Eine unbekannte Person hat Meister Ridgeway vor die heranfahrende Kutsche gestoßen. Ein gemeiner Mordanschlag.«
Jeremy ließ keine Überraschung erkennen. »Mir war gleich klar, dass mehr hinter diesem mysteriösen Unglück steckt, als ich das hier sah.« Er wandte sich Alan zu, nahm seine rechte Hand und drehte sie, bis eine schmale, bereits mit Schorf bedeckte Wunde an seinem Unterarm sichtbar wurde. »Dies kann unmöglich bei dem Zusammenstoß entstanden sein. Es ist ein glatter Einstich. Jemand hat ihm die Wunde mit einem Messer beigebracht, einige Zeit bevor er überfahren wurde.«
»Aber weshalb war er bei diesem Wetter noch so spät unterwegs? Hat er einen Patienten besucht?«, fragte Trelawney.
In diesem Moment trat Amoret aus dem Hintergrund vor und reichte Jeremy ein Blatt Papier. »Bevor er aufbrach, teilte mir Meister Ridgeway mit, dass er diese Nachricht erhalten habe. Er glaubte, sie stamme von Euch.«
Während der Jesuit die Nachricht sorgfältig prüfte, betrachtete der Richter die junge Frau mit wachsendem Interesse. Anfangs hatte er nicht weiter auf sie geachtet, doch jetzt, da sie ihm gegenüberstand, erkannte er sie. Er hatte sie am Hof gesehen, in prächtigen Kleidern, mit kostbarem Schmuck behängt, als Mätresse des Königs, und er war in diesem Moment von ihrer schlichten Eleganz ebenso beeindruckt wie von ihrer spontanen Hilfsbereitschaft. Es fiel Sir Orlando nicht schwer, zu erraten, dass Fauconer ihr Beichtvater war und dass sie ihm vermutlich des Öfteren heimlich Besuche abstattete.
»Diese Nachricht war eine heimtückische Falle«, stieß Jeremy schockiert hervor. »Jemand hat versucht, meine Handschrift zu fälschen.«
Der Richter nahm das Papier an sich und betrachtete es stirnrunzelnd. »Sollte es etwas mit unserem Mörder zu tun haben?«, spekulierte er. »Vielleicht weiß er, dass Ihr ihm auf der Spur seid.«
»Das glaube ich auch«, stimmte Jeremy zu. Er warf einen nachdenklichen und betroffenen Blick auf Alan, der sich nicht gerührt hatte. »Aber aus welchem Grund hat man es auf ihn abgesehen? Denn dass er das beabsichtigte Opfer war, beweist die gefälschte Nachricht. Er weiß doch überhaupt nichts! Warum also? Warum er , und nicht ich?«
Sir Orlando wusste nicht, was er antworten sollte. Ihm war dieser Anschlag auf den Wundarzt ebenso unverständlich. »Wenn Ihr erlaubt, werde ich morgen wiederkommen, um zu fragen, wie es ihm geht«, sagte er stattdessen, bevor er sich verabschiedete.
Jeremy entschied, den Verletzten vorsichtig ins Bett zu bringen, wo er es bequemer haben würde. Seine Helfer trugen den Patienten
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