Die Richter des Königs (German Edition)
schlafen«, schlug Amoret vor. »Ich werde bei ihm wachen und Euch sofort wecken, wenn sich sein Zustand verändern sollte.«
Jeremy zögerte, doch dann gab er nach. Mit einem der überzähligen Kissen unter dem Kopf rollte er sich neben dem Bett auf der Binsenmatte zusammen. Aber es dauerte lange, bevor ihn seine quälenden Sorgen schlafen ließen.
Kurz vor Morgengrauen war der Priester bereits wieder auf. Amoret bemerkte auf dem Weg zur Küche, dass das ganze Haus wie in einer albtraumhaften Lähmung gefangen war. Die Bewohner schienen sich vor der Anwesenheit des Todes in ihre Kammern verkrochen zu haben, denn die Glut in der Feuerstelle war erloschen, und von Mistress Brewster, der Haushälterin, war keine Spur zu sehen.
Amoret wusste, wo sich die Kammer der Witwe befand, und stieg ohne Zögern die Treppe wieder hinauf. Im zweiten Stock sah sie die Gesuchte mit dem Gesellen und der Magd Susan zusammenstehen und tuscheln. Alle drei machten betrübte Gesichter.
»… Was soll denn aus mir werden? Zu dieser Jahreszeit finde ich doch keine neue Anstellung …«, flüsterte die junge Magd, verstummte aber sofort, als sie Amoret bemerkte.
»Meister Ridgeway ist noch nicht tot«, sagte die Lady vorwurfsvoll. »Es besteht also kein Grund, eure Arbeit zu vernachlässigen.«
Mit gesenkten Köpfen schoben sich die drei an ihr vorbei und eilten die Treppe hinunter, um ihre Pflichten zu erfüllen.
Am frühen Vormittag meldete John dem Jesuiten, dass Mistress Bloundel ihn unbedingt zu sprechen wünsche. Jeremy ließ Amoret allein am Krankenlager zurück. Sie hatte darauf bestanden, noch zu bleiben und ihm zu helfen. Dafür war er ihr dankbar, denn sie war die Einzige, der er ohne Einschränkung vertraute.
Gwyneth erwartete Jeremy in der Werkstatt. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich tiefe Betroffenheit. »Ich wollte fragen, wie es Alan geht. Wird er wieder gesund?«
Jeremy zögerte, bevor er antwortete. Er sah, wie sich ihre Hände nervös ineinander verkrampften. Der Blick ihrer dunklen Augen durchbohrte ihn, als versuche sie, seine Gedanken zu lesen. Selbst wenn er die Absicht gehabt hätte, wäre es ihm unmöglich gewesen, der Waliserin etwas vorzumachen. »Er wurde sehr schwer verletzt. Ich fürchte, ich kann im Moment noch nicht sagen, ob er überleben wird.«
»Ist er bei Bewusstsein?«
»Nein, er nimmt nichts von dem wahr, was um ihn herum geschieht.«
»Ich habe ihn gestern noch gesehen, bevor er das Haus verließ. Wir hatten Streit. Und nun mache ich mir Vorwürfe. Vielleicht hätte er besser aufgepasst, wenn ich ihm nicht so wehgetan hätte …«
»Ihr sagtet, Ihr wart hier, bevor er ging«, unterbrach Jeremy sie rücksichtslos. »Wisst Ihr etwas von einer Botschaft, die ihn zum Aufbruch veranlasste?«
»Eine Botschaft? Ja, jemand brachte ein Papier, als ich hier war.«
»Habt Ihr den Überbringer gesehen?«
»Ja, ich nahm es doch entgegen.«
»Beschreibt ihn mir!«
»Es war ein Lakai in einer blauen Livree mit gelbem Besatz. Er nannte aber keinen Absender.«
»Erinnert Ihr Euch an sein Gesicht?«
»Nun, es war ein recht gut aussehender junger Mann mit schulterlangen dunkelbraunen Haaren. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen.«
»Würdet Ihr ihn wiedererkennen?«
»Gewiss.«
»Danke, Madam. Ich komme zu gegebener Zeit darauf zurück.«
»Dankt mir nicht, Sir. Ich würde alles tun, um den Halunken ausfindig zu machen, der Alan das angetan hat!«, versicherte Gwyneth. »Wenn sein Zustand so kritisch ist, braucht er doch bestimmt ständige Aufsicht. Ich werde gern eine Weile bei ihm wachen, falls Ihr Euch ausruhen möchtet.«
Unter anderen Umständen wäre Jeremy das Angebot der Apothekerfrau willkommen gewesen. Dank Amorets Hilfe konnte er jedoch darauf verzichten. Es war besser so. Wenn möglich vermied er es, Fremde im Haus zu haben, die zwangsläufig sein Geheimnis entdecken und vielleicht seine Arbeit erschweren würden.
»Euer Angebot ist sehr großzügig, zumal Ihr dadurch Gefahr lauft, Euch bloßzustellen, Madam«, sagte Jeremy daher freundlich. »Aber ich habe genug Hilfe. Meister Ridgeway ist in guten Händen, verlasst Euch darauf.«
»Kann ich ihn sehen?«
Wieder schüttelte Jeremy bedauernd den Kopf. Er wollte nicht, dass sie von Amorets Anwesenheit erfuhr. »Er braucht vor allem Ruhe und sollte nicht gestört werden. Aber wenn er wieder zu sich kommt, könnt Ihr ihn gerne besuchen.«
Durch die Bleirauten des Fensters bemerkte der Priester die Ankunft einer Kutsche. Schnell winkte
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