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Die Richter des Königs (German Edition)

Die Richter des Königs (German Edition)

Titel: Die Richter des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lessmann
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verändert.«
    Mit schwerfälligen Bewegungen, die seine Erschöpfung und Niedergeschlagenheit verrieten, kam er auf die Beine. Er wirkte wie um Jahre gealtert. Amoret reichte ihm mit einer ermunternden Geste die Tasse Tee. Da zuckte ein gerührtes Lächeln über Jeremys schmale Lippen.
    »Ich danke Euch. Ihr kennt wahrlich meine geheimsten Schwächen und wisst, dass es für mich nichts Aufbauenderes gibt als chinesischen Tee. Was würde ich nur ohne Euch tun?«
    Amoret wandte sich dem Bett zu und betrachtete das eingefallene Gesicht des Kranken. Seine Reglosigkeit war gespenstisch. Es schien, als sei kein Leben mehr in ihm.
    Jeremy, der ihre Gedanken erriet, sagte schmerzlich: »Er ist in tiefe Bewusstlosigkeit gefallen, aus der er vielleicht nie wieder erwacht.«
    Die Mutlosigkeit in seiner Stimme weckte ihren Widerspruch. »Aber es besteht doch Hoffnung!«
    »Hoffnung besteht immer, solange der Patient atmet und sein Herz noch schlägt. Aber ich kann nichts tun, um ihn in seinem Kampf gegen den Tod zu unterstützen.«
    Müde ließ sich Jeremy auf eine Kleidertruhe sinken und rieb sich die brennenden Augen. Auf seinen Schultern lastete ein unerträgliches Gewicht. Die Vertrautheit zwischen ihnen war so tief, dass Amoret seine innere Qual mit jeder Faser ihres Leibes empfand. Und sie kannte auch den Grund dafür.
    Betroffen sah sie auf seinen gebeugten Nacken hinab. Es verlangte sie danach, ihn in die Arme zu nehmen und an sich zu drücken, um ihn zu trösten, doch sie wusste, dass er von niemandem Zärtlichkeiten dieser Art duldete, nicht einmal von ihr. Stattdessen sagte sie sanft: »Wollt Ihr Euch mir nicht anvertrauen? Ich sehe doch, dass Ihr Euch quält.«
    »Nein, Madam, damit muss ich allein fertig werden.«
    »Das müsst Ihr nicht!«, widersprach sie. »Auch wenn ich kein Priester bin, weiß ich doch, was in Euch vorgeht. Ich habe gesehen, wie Ihr Euch auf der Straße anschicktet, Meister Ridgeway die Beichte abzunehmen und ihn wieder in den Schoß der Kirche zurückzuführen. Doch dann habt Ihr plötzlich Eure Meinung geändert und stattdessen versucht, sein Leben zu retten.«
    Er wandte ihr erstaunt das Gesicht zu. »Ich vergaß, dass Ihr es schon immer verstanden habt, meine Gedanken zu lesen, Madam. Ja, ich hatte den Entschluss gefasst, ihn nicht aufzugeben. Aber ich musste schnell handeln, bevor er zu viel Blut verlor. Ich hoffte, er würde lange genug bei Bewusstsein bleiben, um seine Sünden bereuen und zum Glauben zurückkehren zu können. Aber ich habe mich geirrt. Wenn er jetzt stirbt, stirbt er als Ketzer. Und es ist meine Schuld! Ich habe sein Vertrauen enttäuscht. Ich habe ihn verraten.«
    »Ihr habt versucht, sein Leben zu retten.«
    »Es wäre meine Pflicht gewesen, seine Seele vor der Verdammnis zu bewahren!«, sagte Jeremy bitter. »Ich habe meine Pflicht als Priester dem Ehrgeiz des Arztes geopfert. Ich war so überzeugt von meiner Kunst, dass ich glaubte, Gottes Plan durchkreuzen und Alans Leben erhalten zu können, selbst gegen Seinen Willen. Und das war unverzeihlich.«
    Die Selbstanklagen ihres Freundes schnitten Amoret tief ins Herz. Leidenschaftlich versuchte sie, ihn gegen sich selbst zu verteidigen. »Woher wollt Ihr wissen, welche Pläne Gott mit Euch hatte? Meister Ridgeway wurde durch einen Handlanger des Teufels verletzt, nicht durch die Hand des Herrn. Ich werde niemals glauben, dass Gott seinen Willen durch die Taten eines Verbrechers kundtut. Vielleicht wart Ihr das Werkzeug, das Gott dazu ausersehen hatte, größeres Unrecht zu verhindern und das Opfer vor dem Tod zu bewahren.«
    »Madam, Eure Argumentation wäre eines theologischen Gelehrten würdig. In einem habt Ihr Recht: Die Wege des Herrn sind unergründlich. Doch die Tatsache bleibt, dass ich die Erhaltung des Körpers der Rettung der Seele vorangestellt habe, aus Hochmut und Selbstüberschätzung. Die ganze Nacht hindurch habe ich Gott angefleht, mir zu vergeben und Alans Leben zu schonen.«
    Amoret ließ sich neben ihn auf den Rand der Truhe sinken und legte die Hand auf die seine, die kalt wie Eis war.
    »Pater, Gott ist barmherzig. Er wird ihn nicht sterben lassen, nur um Euch zu strafen.«
    Entgegen ihrer Erwartung zog er seine Hand nicht zurück. Eine Weile saßen sie stumm beieinander, umgeben vom Halbdunkel der nur durch das Kaminfeuer erhellten Nacht. Nichts außer dem Knistern der Flammen und dem gleichmäßigen Atemzug des Verletzten durchbrach die Stille.
    »Warum versucht Ihr nicht, ein wenig zu

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