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Die Ringe der Macht

Die Ringe der Macht

Titel: Die Ringe der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst von Allwörden , Helmut W. Pesch
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gebracht.«
    Sie blickte scharf in Gregorins Richtung, doch der alte Zwerg zeigte keine Regung. Sein Gesicht war, soweit das in der fahlen, von den wirbelnden Fluten aufgewühlten Düsternis auszumachen war, grau wie Stein.
    »Trommeln«, erklärte Gwrgi.
    Einen Augenblick wusste Kim nicht, was der Sumpfling meinte; denn es waren keine Trommeln zu hören. Dann begriff er. Wenn Gregorins Sang die aufgestaute Spannung in der uralten Tür des Laboratoriums gelöst hatte, dann mochte ein Klang wie das Dröhnen der Trommeln auch den Stein in Schwingung versetzen, wenn man nur den richtigen Ton und Rhythmus traf. Er lauschte in die Tiefe, ob er das Singen des Felsens noch hören konnte, aber das Tosen des Wassers übertönte jedes andere Geräusch.
    »Gebt mir mal die Karte«, sagte Marina zu Gregorin. »Ich will sehen, wie wir von hier aus weiterkommen.«
    Gregorin widersprach nicht, sondern reichte die in gewachsten Stoff verpackte Karte an Marina weiter, die sie sofort ausfaltete, um sie zu studieren. »Hier«, sagte die Ffolksfrau nach einigen Augenblicken. »Hier müssten wir wieder nach Westen kommen.«
    Gregorin beugte sich zu Marina herüber, um ebenfalls auf die Karte schauen zu können. Er folgte mit den Augen ihrem Finger und ihren Erklärungen. Kim war immer noch nicht klar, wie man sich in diesem Gewirr von Linien überhaupt zurechtfinden konnte.
    Ein eisiger, nasser Spritzer, der ihn im Nacken traf, riss ihn aus seinen Gedanken.
    Das Wasser hatte jetzt die Decke des unteren Ganges erreicht und brach sich an dem Schacht, der nach oben führte.
    »Kommt«, sagte Fabian, »wir müssen weiter. Wenn das Wasser noch höher steigt, können wir auch hier noch ersaufen.«
    Müde, durchnässt und durchfroren rappelten sie sich auf. Es war keine Zeit mehr, länger zu verschnaufen. Marina ging voran, und Kim folgte ihr blind, zusammen mit Fabian und Gwrgi. Die beiden Zwerge bildeten stumm die Nachhut.
    Nach einer Weile kamen sie an eine Weggabelung, wo ihre Führerin kurz verharrte.
    »Es bleibt sich gleich, welchen Weg wir nehmen«, meinte sie dann. »Aber der linke scheint nach oben zu führen.«
    Nach oben, dachte Kim, als sie weitergingen. Sonne, Wind auf der Haut; selbst ein Herbststurm wäre ihm jetzt recht gewesen, alles, nur nicht diese ewig kühle, klamme Luft in den Stollen und Schächten unter dem Berg. Bäume, Blumen, Felder und Gras …
    Und dann das Imperium.
    Kim, der sich in ganz kühnen Momenten manchmal ausgemalt hatte, an der Spitze einer Legion zu reiten, vergrub diesen Gedanken tief in seiner Seele, um ihn nie wieder hervorzuholen. Sobald sie die Garnison erreichten, würde er versuchen, einen ruhigen Platz im Hinterland zu ergattern. Kampf und Abenteuer waren nichts für einen Ffolksmann wie ihn. Er würde vielleicht ein Buch über die Ereignisse schreiben, aber dazu reichte es aus, im Nachhinein die Feldherren zu befragen.
    Und da war noch die Erinnerung an seinen Traum. Kim hatte die Entscheidungsschlacht zwischen Licht und Schatten erblickt. Kurz und flüchtig war der Eindruck gewesen, und Kim war dankbar darum, nicht einzelne Kämpfe, Verwundete, Verstümmelte und Tote gesehen zu haben. Er hatte kein Interesse mehr daran, ein Held zu sein. Nein, mein Herr, sagte er zu sich selbst, ein ruhiges Leben als Gelehrter ist alles, was ich will.
    Gut, dass du mitgehst, Kim … , wehte in ihm das Echo einer Stimme. Und wer weiß, wozu es sonst noch dienen könnte. Es war die Stimme Magister Adrions, seines Freundes und Mentors, dessen Augen in seinem Traum dem Vatergott gehört hatten. Kim sah sich um, ob jemand etwas gesagt hatte, aber nein, jeder der Gefährten war mit den eigenen Gedanken beschäftigt; die Stimme war in ihm gewesen.
    Was mochte ihn noch alles erwarten?
    Der Gang führte stetig bergauf, und je höher sie kamen, desto mehr Verzierungen tauchten wieder an den Wänden auf. Die Spuren der Zwergenhämmer verloren ihre reine Sachlichkeit und wurden verspielter, künstlerischer; schmucklose Gesimse wichen geometrischen Ornamenten – hier ein Mäander, da ein Zangenfries, dort ein endlos geflochtenes Band …
    Kim aber hatte dafür kein Auge. Jetzt, da seine Traumvision so klar vor ihm stand wie die Erinnerungen an seine Kindheit, ließ er ihn nicht mehr los und suchte nach Hinweisen, auch wenn sein Verstand ihm immer wieder zu sagen versuchte, dass alles bloß ein verrückter Traum gewesen war, den er unter dem Dröhnen der Trommeln geträumt hatte und der nichts, aber auch gar nichts

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