Die Ringe der Macht
Zeiten, neue Sitten«, schimpfte der fremde Zwerg. »Nennt mich … Gregorin.«
Ein Fürst seines Volkes, schoss es Kim durch den Kopf, denn bei den Zwergen war es üblich, dass die Länge des Namens den Rang bekundete, den der Träger desselben bekleidete. Mit einem Seitenblick auf den Freund erkannte er, dass Burin erschrocken und eingeschüchtert zugleich war. Er hatte das Gebot der Höflichkeit verletzt, und nun war er einem der Seinen begegnet, der ihn im Rang übertraf. Oder steckte mehr dahinter? Kim vermochte es nicht zu sagen, aber er nahm sich vor, der Sache auf den Grund zu gehen. Vielleicht würde ihm der Freund diesmal mehr verraten und keine Witze machen.
Aber jetzt war er an der Reihe, sich vorzustellen, wie es Fabian, Gilfalas und Marina schon getan hatten.
»Kimberon Veit, Kustos des Ffolksmuseums zu Aldswick und Mitglied des Rates von Elderland, zu Euren Diensten.«
Der Zwerg in der Wanne nickte nur, wie er es bei jedem getan hatte, ein Zeichen, dass er noch grollte und ihnen die Höflichkeit der Erwiderung des Grußes versagte. Das Ganze wurde Kim ein wenig zu förmlich. Die Spannung, die sich aufbaute, war nicht das, was er erwartet hatte; immerhin hatten sie Gregorin das Leben gerettet. Der Zwerg schien das nicht recht zu begreifen.
»Burin, Balorins Sohn, Belforins Sohn, aus dem Hause Hamabregorins, zu Euren Diensten und denen Eures Hauses«, stellte sich nun Burin vor. Kim und Fabian wechselten einen kurzen Blick; auch ihr Freund schien aus einer edlen Familie zu stammen, wie die Aufzählung seiner Vorfahren anzeigte, wenn er selbst wohl auch noch nicht den angestammten Platz eingenommen hatte. An Burin war mehr, als er ihnen bisher verraten hatte.
Kim schoss ein Gedanke durch den Kopf: War Burin womöglich auch eine Art Kronprinz? Dann wäre das der dritte in ihrer Gemeinschaft. Magister Adrion hatte angedeutet, dass alle ihre Geheimnisse hätten. Heiliger Vater, dachte Kim, in welch seltsame Gesellschaft bin ich nur geraten!
Aber noch mehr als Burins Reaktion auf Gregorins Vorstellung erstaunte Kim, was sich im Gesicht des Geretteten abzeichnete. Überraschung, Erstaunen, ja, Fassungslosigkeit spiegelte sich für ein, zwei Augenblicke in den Zügen des Zwergen wider. Er musste etwas derart Unglaubliches gehört haben, dass jedweder Zorn aus seiner Miene schwand.
Irgendetwas, das mit Burins Ahnen und der Vergangenheit des Zwergengeschlechts zu tun hatte. Ein Geheimnis, von dem keiner ahnte? In der Geschichte der Zwerge, wie sie in den Hallen des Wissens in Allathurion gelehrt wurde, klafften offensichtlich größere Lücken, und Kim packte der Reiz des Forschers, zumindest ein paar davon zu schließen.
»Gwrgi, Sumpfling«, riss die quäkende Stimme ihres Gefährten aus den Mooren Kim aus seinen Gedanken.
»Eine nette, kleine Gruppe seid ihr, mich aus meinem shazâm zu reißen. Ich habe lange geschlafen; viel zu lange, wie es scheint. Welches Jahr schreibt man nach der Rechnung des kleinen Volks, eh?« Er hob eine Braue, an Kim gewandt.
»Siebenhundertsiebenundsiebzig nach der Einwanderung«, beeilte sich Kim zu erwidern, so sehr ihn die Frage auch verwunderte. »Und, mit allem schuldigen Respekt, es heißt nicht ›Volk‹, sondern ›Ffolk‹. Mit ›Ff‹.«
Der Alte runzelte die Stirn. Einen Augenblick schien er verwirrt. »Ffffolk?«, knurrte er dann. »›Wichtel‹ sollte man euch nennen. Und so was kommt einfach und schleppt mich hierher, setzt mich in heißes Wasser und weckt mich auf!« Jetzt hatte sich der Zwerg endgültig wieder in der Gewalt. Er erhob sich. »Womit soll ich mich jetzt abtrocknen?«
Burin beeilte sich, dem Gast ein großes wollenes Badetuch zu reichen, das sie mit anderen in einem der Fässer gefunden hatten.
»Was ist eigentlich … shazâm?«, fragte Kim, als der Fremde sich abtrocknete. »Unser Freund Burin hat nur gemeint, er überließe es Euch, uns zu erklären, was es damit auf sich habe.«
»Eine Starre, die es uns ermöglicht, Monde – und manchmal Jahre – lang auf nacktem Fels zu schlafen, um das Herz der Erde pochen zu hören.« Mehr sagte Gregorin nicht, und Kim wusste, sie würden auch nicht mehr erfahren.
»Wie aufwendig«, sagte Marina. »Gwrgi, geh in das Lager und sehe zu, ob du etwas Passendes für Meister Gregorin finden kannst. Ich werde mich jetzt um das Essen kümmern. Ich hoffe«, wandte sie sich an Gregorin, »Ihr mögt einfache Kost; denn ich fürchte, mehr können wir Euch nicht bieten.«
»Setz es mir vor, und ich
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