Die Ritter des Nordens
würde möglichst rasch aus der Stadt verschwinden – wenn dir dein Leben lieb ist. Meines Wissens sind die meisten Händler schon vor Tagen abgezogen, und du willst doch gewiss nicht mehr hier sein, wenn die Waliser kommen.«
»Falls du dann überhaupt noch lebst«, sagte ich. »Wenn du nämlich hier in Scrobbesburh bleibst, betrachtet Berengar das als persönliche Beleidigung und wird gewiss alles tun, damit man dich in Ketten legt – vor allem nach dem Zwischenfall hier.«
Robert legte die Stirn in Falten. »In Ketten? Hat dein englischer Freund denn was ausgefressen?«
Ich berichtete ihm, dass Fitz Osbern laut Berengar angeordnet habe, alle Kaufleute, die sich noch in der Stadt aufhielten, umgehend festzunehmen, da sie der Spionage verdächtig waren.
»Davon habe ich ja noch nichts gehört«, murmelte Robert. »Doch falls es stimmt, hat Fitz Osbern vollends den Verstand verloren. Ohne die Berichte der Händler wüssten wir nämlich noch weniger über die Feinde und ihre Aktivitäten als ohnehin schon.« Er sah Byrhtwald wieder an. »Wegen der Ketten mache ich mir nicht so viele Sorgen«, sagte er. »Vielmehr habe ich Angst, dass du es mit Berengars Schwert zu tun bekommst, wenn er dich hier noch mal antrifft. Verschwinde und kehr schnellstens zu deiner Frau und deinen Kindern zurück. Sonst bringen dich am Ende noch die Waliser um, wenn Berengar das nicht vorher erledigt.«
»Macht Euch meinetwegen keine Sorgen, Mylord«, entgegnete der Engländer und zeigte sein verschmitztes Grinsen. »Ich komme schon zurecht.«
Daran hegte ich nicht den geringsten Zweifel. Irgendwie erinnerte mich der Mann an eine Ratte, nur dass er doppelt so schlau und nur halb so schmutzig war; außerdem schnell genug, um davonzuhuschen, sobald er eine Gefahr witterte; anspruchslos genug, um von den Abfällen zu leben, die andere wegwarfen, doch sofort zur Stelle, wenn sich ihm die Chance bot, sich den Magen zu füllen – beziehungsweise den Geldbeutel.
Wir gingen zurück zum Marktplatz, wo sich eine Gruppe Jugendlicher in Byrthwalds Abwesenheit über dessen Karren hergemacht hatte. Ein Junge hob gerade die am Boden liegenden Salbentöpfe auf und ließ sie in seinen Taschen verschwinden. Oben auf dem Wagen stand ein großes blondes Mädchen in einem zerfetzten Kleid und reichte Kienholzbündel, Kerzen und eine Messinglaterne an die unten Wartenden weiter, die das Diebesgut in einem großen Sack verstauten. Als sie Byrhtwald sahen, ergriffen die Diebe die Flucht. Das Mädchen versuchte noch, den Sack hinter sich herzuschleppen, doch der war so schwer, dass sie ihn kaum von der Stelle brachte. Schließlich gab sie auf, rannte weg, drängte sich zwischen den Menschen und Tieren hindurch und konnte gerade noch einem anderen Händler ausweichen, der sie aufhalten wollte. Kurz darauf war sie auch schon verschwunden.
Einer von Roberts Männern hatte Nihtfeax eingefangen und brachte ihn mir; ich bedankte mich bei ihm und nahm die Zügel entgegen. Byrhtwald hatte die umgestürzte Bank schon wieder aufgestellt und war gerade damit beschäftigt, die gestohlenen Dinge wieder einzusammeln und auf seinen Wagen zu laden. Ich bot an, ihm zu helfen, doch er lehnte ab.
»Nun gut. Dann seid auf der Hut«, sagte ich. »Der Feind kann jederzeit hier eintreffen.«
»Ja, versprochen.« Wir gaben uns zum Abschied die Hand.
»Wenn alles gutgeht, werden wir uns schon bald wiedersehen.« So sicher war ich mir da allerdings nicht. Denn falls es dem Feind gelingen sollte, Scrobbesburh einzunehmen, musste ich mich auf das Schlimmste gefasst machen. Trotzdem hatte auch ich das unbestimmte Gefühl, dass ich den Engländer schon bald wiedersehen würde. Denn er tauchte ja immer dann auf, wenn ich am wenigsten mit ihm rechnete.
»Verlasst Euch darauf, Mylord«, sagte Byrhtwald.
»Pass auf dich auf«, sagte ich. »Gute Reise.«
»Den Wunsch kann ich nur erwidern«, entgegnete er. »Ganz gleich, wohin es Euch verschlägt.«
Ein merkwürdiger Abschiedsgruß, doch ich sagte nichts, weil Lord Robert schon auf mich wartete. Und so nahm ich Abschied von dem Hausierer. Wir führten unsere Pferde durch die stinkenden Gassen in Richtung Lager. Der Hochsommertag war drückend heiß, und mir fielen plötzlich wieder die endlosen Feldzüge ein, die wir in den Jahren vor der Invasion in der glühenden Hitze Siziliens unternommen hatten. Von den Kuhfladen vor uns auf dem Pflaster stiegen Fliegenschwärme auf, die mir ins Gesicht flogen, während wir mit unseren Pferden
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