Die Ritter des Nordens
Eudo und ihre Männer. Ich betete, dass es mir gelingen würde, die Engländer so lange abzulenken, wie die beiden brauchen würden, um ihr Werk zu verrichten. Von der Stelle, wo ich gerade meinen kleinen Auftritt hatte, bis zu den fünf Schiffen waren es knapp hundert Schritte. Falls Wace und Eudo zu viel Lärm machten und die Wachen mitbekamen, was sich gerade bei den Schiffen abspielte, war unser Plan schon im Vorfeld gescheitert.
Als die Engländer mich fast erreicht hatten, ließ ich mich auf die Knie fallen und markierte einen heftigen Hustenanfall, spuckte theatralisch Klumpen von hochgezogenem Schleim aus. Bis auf die Saxe, die sie am Gürtel trugen, waren sie offenbar unbewaffnet; außerdem trugen sie bis auf ihre Röcke und ihre Fellumhänge keine Schutzkleidung. Sie waren noch sehr jung, vielleicht so alt wie Runstan, und, wie es schien, abenteuerlustig und nicht besonders helle im Kopf. Jedenfalls waren sie auf keinen Fall erfahrene Krieger, da sie sonst nicht einfach ihre Posten verlassen und die Schiffe unbewacht zurückgelassen hätten.
»Geht es Euch jetzt wieder besser, Mylord?«, fragte einer von ihnen, der aus den Reifen an meinen Armen und den Waffen an meinem Gürtel sofort geschlossen hatte, dass er es mit einem Edelmann zu tun hatte. »Was macht Ihr denn um diese Tageszeit hier draußen?«
Ich tat so, als ob ich seine Frage nicht gehört hätte, hustete wieder, schüttelte mich und ließ mich dann stöhnend auf die Seite fallen; dabei presste ich mir eine Hand in die Magengrube, als sei mir übel, während ich mit der anderen die Flasche festhielt. Das einzig Echte an der ganzen Darbietung war das Zittern.
»Wahrscheinlich hat er sich verlaufen«, sagte ein anderer kichernd, während sie mich begutachteten. Da die jungen Burschen dem Feuer den Rücken zukehrten, konnte ich ihre Gesichter nicht genau erkennen. »Sollen wir ihm helfen?«
»Wenn wir ihn hier liegen lassen, fällt er am Ende wieder ins Wasser und ersäuft«, sagte der Erste. »Los, Wulf, hilf mir, ihn hochzuheben.«
Ich lag wie ein nasser Sack am Boden, sodass die jungen Männer mich zu zweit an den Oberarmen packen mussten, um mich zum Sitzen aufzurichten.
»Mensch, ist der schwer«, sagte der, der Wulf hieß. Er war kräftig gebaut und hatte muskulöse Unterarme. »Wie sollen wir ihn denn den ganzen Weg bis ins Lager schleppen?«
Während sich die beiden mit dieser Frage beschäftigten, führte ich wieder die Flasche zum Mund. Als ich sie leeren wollte, versuchte Wulf, sie mir zu entreißen. Ich grunzte und ließ sie dann unvermittelt los; dabei geriet der junge Mann auf dem morastigen Boden ins Rutschen und stürzte in denselben Graben, aus dem ich gerade herausgekrochen war. Seine Kameraden johlten vor Begeisterung.
Gott war in dieser Nacht auf unserer Seite. Alles verlief planmäßig: Genau in dem Augenblick, als Wace und Eudo und ihre Männer brennende Holzscheite aus der Glut zogen und zu den Schiffen brachten, hatten die jungen Burschen dem Feuer den Rücken zugekehrt. Meine Kameraden hatten den Auftrag, die Scheite im Bauch der Schiffe zu deponieren, wo meist die Ruder und die Ersatzsegel verwahrt wurden. Mit ein bisschen Glück würden sie dort auch Schiffswerg finden, ein Material aus feinen Hanffasern, das – mit Pech getränkt – zum Versiegeln der Plankenfugen diente und wie Zunder brannte. Aber auch ohne diesen Brandbeschleuniger würden die Schiffe gewiss schnell Feuer fangen.
Dann ging alles noch viel schneller, als ich erwartet hatte. Als Wulf gerade zähneklappernd wieder an Land stieg, von oben bis unten mit Schilfblättern bedeckt, stiegen über den Lastkähnen bereits die ersten zarten Rauchkringel in den Nachthimmel, so zart, dass sie für jemanden, der nicht eigens Ausschau nach ihnen hielt, leicht zu übersehen waren. Doch dann wurde der Rauch rasch kräftiger und dunkler, bis über den Decks der fünf Schiffe dichte Rauchwolken in den Nachthimmel aufstiegen.
Kurz darauf sagte einer der jungen Engländer, ein stämmiger Bursche mit engstehenden Augen: »Ist das Rauch?«
Als seine Kameraden sich umdrehten, sprang ich auf und zog das Schwert und den Dolch gleichzeitig. Dann schlitzte ich einem der Männer mit einem Schlag beide Waden auf, sodass er mit einem Schrei zu Boden ging. Anschließend stieß ich einem anderen das Messer in die Weichteile. Die Übrigen drei waren so überrascht, dass sie keinen Ton herausbrachten und auch keine Zeit mehr fanden, ihre Saxe zu ziehen. Einem von ihnen
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