Die Ritter des Nordens
Refektorium an. Tatsächlich ließ ich mich dabei einzig von meinem Gefühl leiten, da ich keine Ahnung hatte, ob Beatrice wirklich hier war, oder ob man sie vielleicht in einen völlig anderen Teil der Stadt verschleppt hatte.
Nachdem ich die schwere Eichentür aufgeschlossen hatte, tappte ich buchstäblich im Dunkeln und wünschte, ich hätte eine Fackel oder Laterne mitgenommen. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich einen langgestreckten Esstisch mit ungefähr einem Dutzend Hockern, von denen einige umgekippt waren. Am Kopfende war der Stuhl des Abts zu erkennen. Die Essensreste auf den noch halb vollen Holztellern waren bereits verschimmelt, auf dem Boden lagen die Scherben eines zertrümmerten Tonkrugs. Die dunklen Flecken am Boden konnten ebenso gut Wein wie Blut sein. Die Mönche waren offenbar gerade beim Essen gewesen, als die Heiden die Abtei gestürmt hatten.
»Beatrice!«, schrie ich. »Beatrice!«
Keine Antwort. Eine Treppe führte in den ersten Stock hinauf. Ich nahm jeweils zwei Stufen auf einmal und stand plötzlich in einem Wohnraum mit reich bestickten Wandbehängen. Die zahlreichen vergoldeten Kerzenständer und versilberten Teller, dazu noch die Säcke voll Münzen und die kostbaren Pelzmäntel, die dort verwahrt wurden, legten die Vermutung nahe, dass der Raum den beiden Herrschern als Schatzkammer für ihre Kriegsbeute diente.
Auf der gegenüberliegenden Seite gab es eine Tür, die in eine Kammer führte. Von dort hörte ich ein Geräusch, das nicht recht zu einem Tier zu passen schien.
»Beatrice?«, rief ich. »Bist du das?«
Obwohl ich keine Antwort erhielt, war ich sicher, dass sich jemand in dem Nebenzimmer aufhielt. Ich versuchte die Tür zu öffnen, doch sie war verriegelt und ließ sich auch nicht mit den Schlüsseln öffnen, die ich mitgebracht hatte. Wahrscheinlich hatte der Abt für seine Privaträume einen eigenen Schlüssel besessen, der sich nicht an dem Schlüsselbund befand, aber mir blieb keine Zeit, danach zu suchen.
»Weg von der Tür«, rief ich und zog das Schwert. Eine Axt wäre mir natürlich lieber gewesen, doch ich hatte nun mal keine. Jetzt ging es nur darum, die Tür so schnell wie möglich aufzubrechen, egal wie. Ich hob die Waffe und rammte ihre Spitze mit zusammengebissenen Zähnen wieder und wieder direkt um das Schloss in das Holz. Zuerst prallte die Klinge von dem harten Holz einfach ab, doch nach einigen Schlägen lösten sich immer größere Splitter, bis ich das Schwert schließlich einfach zu Boden fallenließ und mich mit der Schulter voran gegen die Tür warf. Beim ersten Versuch knarrte das Holz nur; beim zweiten verbog es sich bereits, beim dritten flog die Tür mit einem lauten Krachen auf, und ich stolperte keuchend in die dunkle Kammer.
Da saß sie: in der hintersten Ecke des Raumes, zusammengekauert auf einer Strohmatratze. Ihre Hände und Füße waren gefesselt, und man hatte ihr den Mund mit einem Lappen zugebunden. Ihr blondes Haar war verschmutzt und völlig aufgelöst und bedeckte ihre weißen Schultern und ihre Brüste. Sie hatten ihr die Kleider ausgezogen und ihr nicht einmal eine Decke gegeben.
Ihre Augen weiteten sich vor Erleichterung, als sie mich sah. Ich stürzte zu ihr, befreite sie von dem Knebel und löste ihre Fesseln.
»Tancred«, sagte sie, nach Luft schnappend, und schien den Tränen nahe. »Seid Ihr es wirklich?«
Sie schlang die Arme um mich, und ich presste ihren bebenden nackten Körper an mich. Dabei durchflutete mich – völlig unerwartet – eine Welle zärtlicher Gefühle.
»Ja, ich bin es«, entgegnete ich – einerseits, um sie zu beruhigen, aber auch, weil mir nichts anderes einfiel. Mein Mund war trocken. Beatrice hatte blaue Flecken am linken Arm und im Gesicht; offenbar hatte man sie geschlagen. An der Stirn hatte sie eine Schramme. »Seid Ihr verletzt? Haben sie Euch …?«
Ich konnte die Frage nicht aussprechen, doch Beatrice wusste sofort, was ich meinte. »Nein«, sagte sie hastig. »Nein, das haben sie nicht.«
Immerhin eine erfreuliche Nachricht. Doch ich wusste bereits jetzt, was ich mit den Männern anstellen würde, die Beatrice das angetan hatten. Dazu musste ich sie allerdings erst einmal finden. »Könnt Ihr stehen?«
Sie nickte. Ich ließ sie kurz in dem Zimmer zurück und ging nach nebenan, um ihr einen der Wintermäntel zu holen, die ich dort gesehen hatte. Dann half ich ihr, sich in das wärmende Gewand zu wickeln und ihre Blöße zu bedecken. Mehr konnte ich
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