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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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ich sprach ihn laut auf Französisch an, nannte ihm unsere Namen und erklärte ihm, dass wir Normannen seien. Denn tatsächlich kommt es im Eifer des Gefechts immer wieder zu Verwechslungen zwischen Freund und Feind: vor allem in der Dunkelheit oder aber, wenn sich die Kampfordnung völlig aufgelöst hat. Unter solchen Umständen töten Männer, ohne nachzudenken, und merken erst hinterher, dass sie das Blut eines der Ihren vergossen haben. Ich war schon häufig Zeuge solcher Tragödien geworden, und wollte nicht, dass es uns genauso erging. Nicht nach allem, was bereits hinter uns lag. Gott sei Dank verstand mich der Anführer des Conrois, und so nahmen die Reiter, statt uns aufzuspießen, die Verfolgung einer Gruppe blonder Dänen auf, die sich mit ihren Frauen in eine enge Gasse geflüchtet hatten.
    Wir rannten über den Marktplatz, über dem eine dichte Rauchwolke hing. So lief ich hustend und mit tränenden Augen weiter. Reiter, die stolz ihre Farben präsentierten, galoppierten an uns vorbei. Sie jauchzten vor Freude im Schlachtenrausch, ließen die Normandie hochleben, dankten Gott und ritten die noch verbliebenen Engländer und Dänen einfach über den Haufen. Andere warfen ihre Speere weg und holten brennende Gegenstände aus den Häusern, um auch die noch unversehrten Gebäude anzuzünden. Als die Rauchschwaden sich einmal ein wenig lichteten, entdeckte ich in der Ferne wieder den vergoldeten Helm des Æthelings und direkt dahinter Berengar und seine Männer, die sich immer weiter von mir entfernten. In den Nebenstraßen setzten sich die tapfersten Feinde weiterhin zur Wehr. Offenbar wollten sie lieber im offenen Kampf sterben, als auf der Flucht hinterrücks erschlagen zu werden. Andere hielten die Stellung nur so lange, wie ihre Thane und Jarle benötigten, um auf die Pferde zu steigen und wegzureiten. Diese Männer standen meist in mehreren Reihen hintereinander und bildeten einen Schildwall – mal Gruppen von zehn oder zwölf, mal von vierzig oder mehr Bewaffneten.
    Abrupt blieb ich stehen. Hinter einer dieser Formationen hoch zu Ross erblickte ich ein Gesicht, von dem ich nicht geglaubt hatte, dass ich es je wiedersehen würde. Nicht hier.
    Nirgends auf der ganzen Welt.
    Das ganze Geschehen schien plötzlich stillzustehen, ich verlor jede Orientierung, wusste nicht mehr, wo ich war. Mein Hals war verdorrt, und ich stand wie angewurzelt da, starrte ungläubig die Erscheinung an, die geradewegs einem halb vergessenen Traum entstiegen schien, einer Zeit, die längst der Erinnerung angehörte – dem Reich der Toten.
    Sie wandte mir zwar den Rücken zu, als sie jetzt in den Sattel stieg, doch ich erkannte sie trotzdem. Sie war barhäuptig und trug ihr langes offenes Haar, das ihr auf die Schultern fiel, noch genauso wie früher – ihr pechschwarzes Haar, so schwarz wie eine wolkenverhangene Neumondnacht. Es fiel ihr ins Gesicht, wirbelte mit dem Wind um ihren Kopf. Dann drehte sie sich kurz um, und ich sah ihr Gesicht.
    Oswynn.
    Ganz unmöglich. Trotzdem war es wahr. Eine Einbildung. Aber sooft ich auch die Augen schloss, um die Erscheinung zu vertreiben, es nützte alles nichts: Das Bild wollte einfach nicht weichen. Mir wurde schwindelig, und ich bekam keine Luft mehr. Dann erschauderte ich am ganzen Körper.
    Sie hatte mich nicht gesehen. Neben ihr schwang sich ein schon grau melierter, aber noch kräftig gebauter Mann in den Sattel eines weißen Hengstes. Er hatte eine breite Brust, und sein volles Haar war zu einem Zopf zusammengerafft. Genau wie ich selbst trug er an den Armen Reife, die aus umeinandergewundenen Goldranken bestanden. Und auf seinem eigenen wie auf den Schilden seines Hausgefolges prangte ein schwarzer Drache mit feurigen Augen und einer Axt in den Klauen.
    »Oswynn!«, brüllte ich. »Oswynn!«
    Ich öffnete meinen Kinnriemen, ließ den Helm zu Boden fallen, damit sie mein Gesicht sehen konnte. Immer wieder schrie ich inmitten des Schlachtenlärms mit heiserer Stimme ihren Namen. Ich wollte schon aufgeben, als sie mich endlich erblickte.
    Ihre dunklen Augen weiteten sich, als sie mich erkannte. Mit offenem Mund starrte sie mich an, und ich starrte zurück: zugleich von Freude überwältigt und wie vom Donner gerührt, dass sie noch lebte. So blickten wir einander – wie mir schien, wohl eine Ewigkeit – in die Augen, obwohl in Wahrheit alles sehr schnell ging. Denn der Mann auf dem Schimmel ergriff die Zügel ihres Pferdes, und dann ritten die beiden in eine der Gassen, die zur

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