Die Ritter des Nordens
werden wir eines Tages vielleicht Seite an Seite reiten. Dann könnt Ihr mir von Euren Taten erzählen. Und falls unser Plan aufgeht, habt Ihr gewiss viel zu berichten, wenn das hier erst vorbei ist.«
Ich brachte ein Lächeln zustande. »Oh ja, darauf freue ich mich ebenfalls schon«, sagte ich, obwohl das natürlich geflunkert war. Irgendetwas an dem jungen Mann ging mir mächtig auf die Nerven, obwohl ich nicht genau hätte sagen können, was. Ob es an seinem forschen Auftreten und an seiner Selbstherrlichkeit lag? Vielleicht – andererseits konnte man diese Eigenschaften bei Männern des Schwertes ziemlich häufig antreffen. Oder ob es daran lag, dass er mich daran erinnerte, wie ich selbst in seinem Alter gewesen war?
Das war am Vorabend gewesen. Doch jetzt musste bald die Sonne aufgehen, und zu dem Zeitpunkt wollte ich unbedingt abmarschfertig sein. Nicht weit von meinem Standort entfernt waren unsere walisischen Verbündeten damit beschäftigt, ihr Lager abzubrechen. Dabei hatte ich eigens die Anweisung gegeben, alles hierzulassen, was die Männer nicht unbedingt brauchten: wirklich alles bis auf die Kleider, einige Vorräte, ihre Rüstung und ihre Waffen. Ich wollte mit einer möglichst beweglichen und flexiblen Einheit operieren, deshalb durften wir nicht so viel Ballast mitnehmen. Daher hatte ich außerdem angeordnet, dass wir ohne den sonst üblichen Tross marschieren würden.
Inzwischen hatten die beiden walisischen Brüder mich entdeckt und kamen zu mir, um mich zu begrüßen. Beide sprachen Französisch – zumindest so viel, dass sie sich verständlich machen konnten –, was mir sehr lieb war, da ich selbst kaum Walisisch sprach und auch nicht in der Stimmung war, diese Sprache ausgerechnet jetzt zu erlernen.
»Dann seid Ihr also der Mann, von dem wir schon so viel gehört haben«, sagte Maredudd, nachdem wir uns einander vorgestellt hatten. Er war der größere und, wie ich vermutete, wohl auch der ältere der beiden, obwohl das schwer zu beurteilen war. Er hatte sommersprossige Wangen, trug allerdings anders als die meisten Waliser, denen ich bisher begegnet war, keinen Schnurrbart. »Der Bretone.«
»Ganz recht.« Es war zwar schon so lange her, seit ich zuletzt in meinem Geburtsland gewesen war, dass ich mich eigentlich als Franzose fühlte, deshalb fand ich es immer merkwürdig, wenn jemand mich so nannte. Andererseits wusste ich, dass es zwischen Bretonen und Walisern eine enge Verbindung gab, ein Umstand, dem die beiden Brüder vielleicht eine gewisse Bedeutung beimaßen. Natürlich hatte ich schon davon gehört, dass beide Sprachen miteinander verwandt waren. Außerdem hatten mir schon mehrere bretonische Kaufleute erzählt, dass sie sich in den walisischen Häfen, die sie anliefen, mühelos mit den Einheimischen verständigen konnten. Möglich, dass diese Leute einfach sprachbegabter waren als ich. Ich selbst konnte in der fremden Sprache zwar das eine oder andere Wort verstehen, mitunter sogar den Sinn einer Formulierung erraten, trotzdem erschien mir die Aussprache der Waliser merkwürdig hart, und ich hatte größte Mühe, mich mit ihnen zu verständigen. Und das, obwohl mir im vergangenen Jahr eine ganze Reihe von diesen Leuten über den Weg gelaufen waren.
»Fitz Osbern hat uns schon viel von Euch erzählt«, sagte Ithel. Er war etwas rundlicher als sein Bruder, hatte eine rötliche Gesichtsfarbe und abstehende Ohren.
»Ich hoffe, nur Gutes«, entgegnete ich und lächelte geflissentlich. Seit ich hier in der Gegend lebte, hatte ich noch nie jemanden von der anderen Seite des Grenzwalls getroffen, der nicht mein Feind gewesen war, deshalb reagierte ich auch auf die beiden Brüder instinktiv mit einem gewissen Misstrauen, obwohl sie einen aufrichtigen Eindruck machten.
Beide waren ungefähr so alt wie ich, hätten – ihrem Erscheinungsbild nach zu urteilen – aber auch schon ein paar Jahre älter sein können. Denn sie machten einen sehr nüchternen Eindruck und hatten auf dem Weg des Schwertes wohl schon so einiges erlebt. Außerdem hatten sie diverse Narben im Gesicht: Narben, die von verblasstem Ruhm, von längst vergessenen Siegen kündeten, von geraubten Königreichen, vor allem aber vom Verlust ihrer ererbten Rechte.
Auch wenn ich nicht gewusst hätte, dass sie Brüder waren, hätte ich es dennoch sofort gesehen. Denn sie hatten nicht nur sehr ähnlich geschnittene Gesichter, sondern waren zudem beide dunkelhaarig. Beide hatten breite Schultern und dicke Oberarme, die man
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