Die Ritter des Nordens
alle Augen auf mich gerichtet.
»Ihr?«, fragte Berengar. »Wie kommt Ihr denn auf die Idee, Ihr könntet eine solche Einheit kommandieren?«
»Immer mit der Ruhe, Berengar«, sagte Fitz Osbern, der mir gegenüber Platz genommen hatte. »Mir fällt jedenfalls niemand ein, der für die Aufgabe besser geeignet wäre.«
Aber Berengar stellte sich stur. Er machte ein empörtes Gesicht und sprang wütend auf. »Dann wollt Ihr also wirklich, dass dieser Mensch diesen Kampfverband anführt?«
»Ich wüsste nicht, was dagegen spricht«, sagte Fitz Osbern milde, als wäre jeder andere Vorschlag nur lächerlich.
»Aber ein Mann, der so ein Kommando übernimmt, braucht doch Erfahrung«, sagte Berengar. »Was hat er denn geleistet, um sich für eine solche Aufgabe zu empfehlen?«
Offen gestanden waren seine Zweifel völlig berechtigt, auch wenn er nichts über mich wusste. Ich hatte noch nie einen solch großen Verband befehligt. Unter meinem früheren Lehnsherrn hatte ich zwar einen ganzen Conroi angeführt und manchmal auch mehrere. Als das Pferd meines Gefolgsherrn in Hæstinges während der vorgetäuschten Flucht tot unter ihm zusammengebrochen war, hatte ich die Männer beispielsweise hinterher wieder geordnet – und zwar alle sechzig – und den feindlichen Haufen, der uns verfolgte, gemeinsam mit ihnen zurückgeschlagen. Allerdings ließ sich das nicht ohne Weiteres mit der Aufgabe vergleichen, um die es hier ging. Trotzdem zweifelte ich keine Sekunde daran, dass ich auch dieser Herausforderung gewachsen war.
»Fällt Euch vielleicht jemand Besserer ein?«, wollte Fitz Osbern von Berengar wissen. »Oder möchtet Ihr etwa gerne selbst das Kommando übernehmen?«
Berengar riss schon den Mund auf, um zu protestieren, überlegte es sich dann aber wieder anders und machte ihn wieder zu. Offenbar war er hin- und hergerissen zwischen den Verlockungen des Ruhms und der Ehre einerseits und der Befürchtung andererseits, seinen bescheidenen Ruf durch eine Niederlage unwiederbringlich zu beschädigen. So stand er hinter seinem Stuhl und starrte mit zusammengepressten Lippen auf die Tischplatte.
Doch so leicht ließ Fitz Osbern ihn nicht davonkommen. »Nun, wie lautet Eure Antwort?«
»Mylord …«, sagte Berengar, und ich sah ihm an, dass er seine Worte jetzt sorgfältig abwog. »Wenn ich mich einmal so ausdrücken darf: Dieser Plan ist doch völliger Unsinn. Wollt Ihr wirklich zweitausend Mann in die Wildnis jenseits der Grenze entsenden, in ein Land, das bisher kaum je ein Franzose betreten hat? Und wenn die Männer dort nun geradewegs in den Untergang reiten?«
»Die Waliser werden von Woche zu Woche stärker«, mischte Earl Hugues sich jetzt ein. »Wenn wir einfach abwarten, bis sie hier aufkreuzen, ist es vielleicht schon zu spät, um sie noch aufzuhalten. Ihr wart doch der Erste, der sich darüber beschwert hat?«
Fitz Osbern nickte und schien dem Wolf ausnahmsweise einmal recht zu geben. »Natürlich ist das ein riskantes Unternehmen, Berengar, doch ich glaube, offen gestanden, dass Ihr den Feind ein wenig überschätzt. Aber da Ihr selbst ja nicht bereit seid, eine Führungsaufgabe zu übernehmen, wo liegt Euer Problem?« Dann sah er mich an. »Ich glaube, dass Tancred ausreichend Erfahrung mitbringt. Immerhin hat er den Sturm auf Eoferwic angeführt und sich sogar im Zweikampf mit Eadgar Ætheling gemessen. Wer so etwas kann, ist zweifellos auch imstande, mit einem kleinen Expeditionskorps im Süden von Wales zu operieren.«
Die Taten, die ich in Eoferwic vollbracht hatte, hatten mir offenbar ein für alle Mal den Ruf eines Helden verschafft. Dabei war mein damaliges Verhalten keineswegs heroisch, sondern sogar dumm gewesen, obwohl das anscheinend niemand gemerkt hatte. Trotzdem stellten Fitz Osberns Worte mich natürlich vor eine Herausforderung, der ich mich nicht entziehen konnte. Hinzu kam, dass er mir an diesem Abend sehr großzügig die Möglichkeit eingeräumt hatte, meine Auffassung darzulegen. Jetzt bot sich mir eine Chance, Ruhm und Ehre zu erwerben, wie ich sie noch nie im Leben hatte. Wenn ich jetzt kniff, würde ich fortan als Feigling gelten, und von der Achtung und Anerkennung, die ich mir so mühsam erarbeitet hatte, würde nichts bleiben.
»Die Entscheidung liegt ganz bei Euch«, sagte Fitz Osbern, dem mein Zögern offenbar nicht entgangen war. »Falls Ihr das Angebot ablehnt, finden sich gewiss genügend andere Bewerber für diese ehrenvolle Aufgabe.«
Obwohl er so tat, als ob ihm meine
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