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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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und dort die letzte Maschine nach Aspen nehmen. Daher werde ich versuchen, diese Schilderung aufzupäppeln, sobald ich in Woody Creek bin und an meiner eigenen Schreibmaschine sitze. Dies Ding hier vor mir ist nämlich für gute Dialoge und temporeiches Agieren viel zu langsam.
    Um dennoch an dieser Stelle ein schnelles, wenn auch provisorisches Ende aufs Papier zu bringen: Während jener Zeitspanne wurde ich schon sehr früh entdeckt, und man wollte mich auch sofort rausschmeißen – aber ich weigerte mich zu gehen, und da begann dann der Dialog. Während der ersten zehn Minuten suchten mich schlimme Erinnerungsfetzen an die Zeit unter den Hells Angels heim – ganz allein in einer großen Menge feindseliger und aufgeputschter Dummköpfe, die nur darauf warten, jemanden plattzumachen –, aber ich stellte sehr bald fest, dass diese Nixon-Leute zu solchem Wahnsinn nicht aufgelegt waren.
    Ich saß hinten im Raum auf dem Fußboden mit dem Rücken an der Wand, und es kam zum ersten Eklat, als ich Ron Rosenbaum von der Village Voice auf mich zukommen sah, eingekesselt von einer Horde erboster Nixon-Jünger. »Presse verboten!«, zeterten sie. »Verschwinden Sie! Sie dürfen hier nicht bleiben!«
    Sie hatten sich Rosenbaum gleich an der Tür geschnappt, aber statt umzukehren und aufzugeben, stürzte er sich ins Getümmel und steuerte geradewegs auf die rückwärtige Wand zu, wo er mich in friedfertiger Anonymität hatte sitzen sehen. Als er bei mir angekommen war, bekam er schon kaum mehr Luft, und mindestens sechs Sport-/Verbindungsstudenten klammerten sich an seine Arme. »Die versuchen mich rauszuwerfen!«, rief er.
    Ich blickte auf und erschauderte, denn ich wusste, dass man mich entlarvt hatte. Schon Sekunden später schrien sie auch mich an. »Sie Irrer«, brüllte ich Rosenbaum an. »Sie haben mich auffliegen lassen! Da, sehen Sie, was Sie angerichtet haben!«
    »Keine Presse«, riefen sie. »RAUS! Beide raus!«
    Ich stand schnell auf und presste den Rücken gegen die Wand. »Richtig so«, pöbelte ich gegen Rosenbaum. »Schmeißt den Mistkerl endlich raus! Die Presse hat hier nichts zu suchen!«
    Rosenbaum sah mich entgeistert an. Er wirkte erschüttert und angewidert, als habe er mich soeben als einen direkten Nachkommen von Judas Ischariot identifiziert. Als sie ihn mit Gewalt hinausschafften, erklärte ich den verbissenen Rausschmeißern, dass ich viel eher politischer Beobachter sei als Journalist. »Haben Sie sich je für ein politisches Amt beworben?«, schnauzte ich einen von ihnen an. »Nein! Hab ich’s mir doch gedacht! Sie sehen auch nicht aus wie ein Mann, der diese Feuertaufe hinter sich hat. Das merk ich doch gleich!«
    Er reagierte bestürzt auf meine Anwürfe. Seine Lippen bebten einen Moment, und dann platzte es aus ihm heraus: »Und was ist mit Ihnen ? Für welches Amt haben Sie denn kandidiert?«
    Ich lächelte milde. »Sheriff, mein Freund. Ich hab mich in Colorado zur Sheriffwahl gestellt – und nur extrem knapp verloren. Weil die Liberalen mir die Daumenschrauben angelegt haben! Genau! Da staunen Sie, oder?«
    Er war fraglos verunsichert. »Deswegen bin ich als Beobachter hergekommen«, fuhr ich fort. »Ich wollte einfach mal erleben, wie es sich anfühlt, unter Gewinnern zu sein.«
    Ungefähr in dem Moment musste es wohl gewesen sein, dass jemand mein »Presse«-Schild bemerkte, das ich mit einem blau-weißen McGovern-Button an meinem Hemd befestigt hatte. Ich trug es schon seit drei Tagen und hatte mir in der Konventhalle und in diversen Hotellobbys gelegentlich rüde Kommentare irgendwelcher Heißsporne eingehandelt – aber hier hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, mich erklären zu müssen. Schließlich handelte es sich ja in dieser Woche um den einzigen McGovern-Button in Miami Beach – im Flamingo Park und überall sonst –, und jetzt unternahm ich den Versuch, mich der Nixon-Jugend anzuschließen, die in Kürze in einer spontanen Demonstration den Sitzungssaal ebender Parteiversammlung stürmen wollte, die gerade Richard Nixon zur Wiederwahl nominiert hatte – gegen McGovern.
    Sie schienen das Gefühl zu haben, dass ich mich irgendwie über ihren Einsatz lustig machen wollte … und von da an wurde die Auseinandersetzung derartig kompliziert und chaotisch, dass ich es an dieser Stelle unmöglich vollständig referieren könnte. Es muss also erst mal reichen, wenn ich sage, dass wir schließlich zu einem Kompromiss kamen: Wenn ich nicht freiwillig gehen wollte, dann würde ich

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