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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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PR-Mann der Hialeah-Rennbahn an einem Samstagabend Mitte der Saison.
    Im Fontainebleau reicht es nicht, wie ein finsterer Cop auszusehen – nein, um hier reinzupassen, sollte man aussehen wie jemand, der gerade einem Schwarzmarkthändler 200 Dollar für einen Platz in der ersten Reihe bei der Johnny Carson Show zugesteckt hat.
    Bobo legte einen Gang ein, hielt aber den Fuß auf der Bremse und fragte: »Was schreiben Sie denn so? Was hat der ganze Mist denn gebracht?«
    »Mann«, sagte ich. »Genau das versuch ich ja da oben in meinem Zimmer rauszukriegen. Und verlangen Sie jetzt nicht von mir, dass ich über 200 Stunden Arbeit in 60 Sekunden zusammenfasse.«
    Er griente. »Versuchen Sie’s. Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    Ich stand da in der Auffahrt, klemmte die Biertüten unter den anderen Arm und überlegte. »Okay«, sagte ich. »Nixon hat die Partei für die nächsten zwanzig Jahre verraten und verkauft, indem er für 1976 ein Agnew/Kennedy-Rennen angebahnt hat. Aber er wusste sehr genau, was er tat, und er tat es aus demsel ben Grund, aus dem er alles getan hat, seit er in die Politik ging – um sicherzustellen, dass er gewählt wird.«
    Er sah mich verständnislos an.
    Ich zögerte, versuchte es auf den Punkt zu bringen. »Okay«, sagte ich schließlich. »Nixon hat in diesem Jahr Agnew und den Goldwater-Freaks deswegen die Kontrolle über die Partei eingeräumt, weil er genau weiß, dass sie 1976 niemals gewinnen können – und kurzfristig war es ein kluger Handel. Sie müssen jetzt also zu ihm halten, was wahrscheinlich im November ein oder zwei Prozentpunkte ausmachen dürfte – und das ist Nixon wichtig, denn er glaubt, dass es eng wird. Scheiß auf die Prognosen. Die richten ihr Handeln an der Realität aus, statt sie vorherzusagen … Aber in Wahrheit hat er die Partei dem Agnew/Goldwater-Flügel deswegen überlassen, weil er weiß, dass die meisten Demokraten der alten Garde, die bei der Nominierung soeben von McGovern überrollt wurden, gar nichts dagegen hätten, George 1972 ausgeschaltet zu sehen, wenn sie wüssten, dass sie nur vier Jahre warten müssten, um garantiert wieder im Sattel zu sitzen.« Bobo lachte, denn er begriff auf der Stelle. Zuhälter und Stricher haben einen guten Riecher für die Politik. »Sie behaupten also, Nixon hat alles auf eine Karte gesetzt«, sagte er. »Ihm ist es scheißegal, was passiert, wenn er erst mal gewählt ist – denn wenn er gewonnen hat, ist sowieso alles gelaufen für ihn, stimmt’s? Noch mal antreten kann er nämlich nicht …«
    »Genau«, sagte ich und machte mich daran, den Kronenkorken von einer Bierflasche zu hebeln. »Aber Sie müssen eins verstehen: Weil Nixon ein so feines Gespür dafür hat, wie Politiker ticken, wusste er genau , dass Leute wie Daley und Meany und Ted Kennedy gemeinsame Sache mit ihm machen würden – es liegt nämlich in deren Interesse, Nixon jetzt seine zweite Amtszeit zu ermöglichen, weil ihnen dafür 1976 ein Sieg der Demokraten garantiert ist.«
    »Scheiße auch!«, staunte er. »Das ist ja klasse! Die geben ihm vier Jahre und kriegen dafür acht, stimmt’s? Schenk Nixon seine letzte Tour, und 76 übernimmt dann Kennedy … Mann, das ist so hinterfotzig, dass ich eigentlich nur gratulieren kann.« Er lachte glucksend. »Mann, und ich dachte schon, ich bin zynisch.«
    »Das ist gar nicht zynisch«, sagte ich. »Das ist lediglich Politik in ihrer dreistesten Form … Und ich kann Ihnen nur raten, sich da rauszuhalten – Sie sind zu sensibel.«
    Er lachte und trat aufs Gas, machte mit quietschenden Reifen einen Satz vorwärts und verfehlte nur knapp das Rücklicht eines langen goldenen Cadillac, als er auf der Rampe nach unten schoss.
    Ich drängte mich durch die Drehtür und ging quer durch die riesige Lobby zu den Fahrstühlen. Während ich noch mein Bier trank, dachte ich über das nach, was ich gerade gesagt hatte. Hatte Nixon tatsächlich die Partei verraten und verkauft? War es ein wohlüberlegter Schachzug oder eine rein instinktive Handlung? Hatte er sich vielleicht bei einer ihrer Golfpartien mit Meany abgesprochen? Steckte Daley auch dahinter? Ted Kennedy? Wer sonst noch?
    Ich leerte meine Bierflasche und ließ sie in einen großen Spucknapf voller blauem Kies fallen. Zwei ältere Frauen, die neben mir standen, sahen angewidert zu, aber ich ignorierte sie und spazierte hinüber zur Tür der weltberühmten Poodle Bar & Cocktail Lounge. Sie war fast leer. Eine Band, die auf Glenn Miller machte,

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