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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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verdammt noch mal bei der spontanen Demonstration mitmachen und sogar ein Schild in die Höhe halten und obendrein einen rot-weiß-blauen Nixon-Plastikhut tragen müssen. Zwar äußerten sie dieses Ansinnen nicht rundheraus, aber ich konnte sehen, wie unbehaglich ihnen bei der Vorstellung war, dass sich die Kameras aller drei großen Sendernetze auf die spontane Demonstration der Nixon-Jugend richteten und – aus welcher perversen Motivation auch immer – einen irre aussehenden 35-jährigen Speedfreak ins Visier nahmen, dem die Hälfte seiner Haare wegen unmäßiger Genusssucht aller Art ausgefallen war, der einen großen blauen McGovern-Button auf der Brust trug, einen extra großen Becher mit »Old Milwaukee« in der Hand hielt und drohend die Faust gegen John Chancellor oben in der NBC-Loge hob – und dazu brüllte: »Du elender Hundsfott! Das wirst du bezahlen, darauf kannst du dich verlassen! Wir werden dir die Zähne einzeln rausreißen! STIRB! STIRB! Du bist jetzt an der Reihe, du dreckiges Kommunistenschwein!«
    In aller Höflichkeit verweigerte ich mich sämtlichen Empfehlungen, meinen McGovern-Button abzunehmen, erklärte mich aber einverstanden, ein Schild zu tragen und einen Plastikhut aufzusetzen wie alle anderen auch. »Keine Bange«, beruhigte ich sie. »Ihr werdet stolz auf mich sein. Es hat eine Menge böses Blut zwischen mir und John Chancellor gegeben. Letzten Monat beim Nominierungsparteitag der Demokraten hat er mir Acid in den Drink gemischt, und anschließend wollte er mich in aller Öffentlichkeit demütigen.«
    »Säure? Du lieber Gott, das ist ja schrecklich! Was denn für welche?«
    »Kam mir vor wie ›Sunshine‹«, sagte ich.
    »Sonnenschein?«
    »Ja. Hat es natürlich abgestritten – aber er streitet ja immer alles ab.«
    »Wieso?«, fragte ein Mädchen.
    »Würdest du denn so was zugeben?«
    Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Aber ich würde es sowieso gar nicht erst tun«, sagte sie. »Wenn man jemanden zwingt, Säure zu trinken, kam man ihn damit umbringen – und wieso hätte er Sie umbringen sollen?«
    Ich zuckte die Achseln. »Wer weiß? Er nimmt doch selber jede Menge von dem Zeug.« Ich hielt inne, denn ich spürte ihre Ratlosigkeit … »Ich bezweifle, dass er mich wirklich umbringen wollte. Es war eine verdammt hohe Dosis, aber auch wieder nicht so stark.« Ich lächelte. »Ich erinnere mich nur noch, wie teuflisch es gleich am Anfang losging – wie wenn dir neun panische Taranteln innen an der Wirbelsäule hochkrabbeln. Zwei Stunden lang saß ich auf meinem Barhocker, wie angewurzelt. Ich konnte nicht sprechen, hätte nicht mal mit den Wimpern zucken können.«
    »Mann, welche Säure hat denn solche Wirkung?«, fragte jemand.
    »Sunshine«, sagte ich. »Und zwar jedes Mal.« Inzwischen hatten ein paar andere unser Gespräch mitbekommen. Ein helle aussehender Bursche in einem blauen Gabardineanzug unterbrach: »Sunshine Acid? Sprechen Sie von LSD?«
    »Genau«, sagte ich.
    Jetzt begriffen die anderen. Ein paar von ihnen lachten, aber andere murmelten düster: »Sie wollen damit sagen, John Chancellor geht rum und mischt den Leuten LSD in ihre Drinks? Er nimmt es auch selbst? … Er ist drogensüchtig …?«
    »Du meine Güte«, sagte das Mädchen. »Aber das erklärt so manches, oder?«
    Langsam konnte ich mir das Grinsen nicht mehr verkneifen. Diese armen, ahnungslosen jungen Hohlköpfe. Würden sie ihren Eltern zu Hause in Middletown, Shaker Heights oder Orange County von dieser irren Offenbarung berichten? Durchaus möglich, dachte ich. Und dann würden ihre Eltern Briefe an NBC schreiben, in denen sie mitteilten, sie wüssten aus verlässlicher Quelle, dass Chancellor süchtig nach LSD-25 sei, einer Droge, die ihm in großen Mengen und zweifellos von kommunistischen Agenten zugeschanzt wurde. Deswegen müsse er umgehend vom Bildschirm verschwinden, geschasst und hinter Gitter gebracht werden.
    Ich war drauf und dran, auch groteske Gerüchte über Walter Cronkite in die Welt zu setzen: Dass er tief in den Mädchenhandel verstrickt war und Agenten nach Südvietnam schickte, die dort Waisenmädchen adoptierten, um sie anschließend auf seine Farm in Quebec zu schmuggeln, wo man sie der Lobotomie unterzog und dann an Bordelle an der gesamten Ostküste verschacherte …
    Aber bevor ich dazu kam, schrien die Männer mit den roten Hüten, dass unsere Sternstunde angebrochen sei. Im Bereitschaftsraum knisterte es vor Spannung: Der Countdown hatte begonnen. Man teilte

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