Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
angekündigt hat.
Phase zwei sollte sich, so war es ursprünglich geplant, mit »schmutzigen Tricks« befassen – ein zwar relativ begrenztes Untersuchungsobjekt, dafür aber facettenreich, schockierend und mit jeder Menge Action gewürzt, sodass das Publikum bestimmt darauf anspringen wird. Würden die »schmutzigen Tricks« im Verlauf von landesweiten Wahlkampagnen eingehender beleuchtet, wäre dies der Todesstoß für die täglichen Soaps, nach denen ein Großteil der amerikanischen Hausfrauen anscheinend regelrecht süchtig ist. Die Hauptfiguren und die vertrackten Geschichten, die diese erzählen könnten, würden jeden Soap-Drehbuchschreiber blass aussehen lassen.
Phase drei, Wahlkampffinanzierung, ist der Teil der Untersuchung, den sowohl das Weiße Haus als auch der Senat am liebsten vermeiden würden – und wenn man in Betracht zieht, wie gering das Interesse beider Instanzen ist, die Öffentlichkeit mit den Realitäten der Wahlkampffinanzierung zu behelligen, kann man damit rechnen, dass dieser Teil wohl derjenige ist, der am ehesten vom Programm gestrichen wird. »Allmächtiger Gott«, stöhnte eines der Mitglieder des Ervin-Untersuchungsausschusses, »da haben wir dann die gesamte Fortune -500-Liste der reichsten Leute der USA im Zeugenstand, und jeder von denen wird mindestens einen Kongressabgeordneten oder Senator mit sich in den Abgrund reißen.«
Die Stoßrichtung von Nixons neuer und eventuell finaler Strategie begann sich mit der ersten Erwähnung der »Tonbänder« abzuzeichnen; und die Verbissenheit, mit der diese Linie seitdem verfolgt wird, deutet entweder auf schiere Verzweiflung oder grenzenloses Vertrauen in die Genialität dieses Vorgehens hin. Die Schlüsselfrage ist, ob die »Verfassungskrise«, die Nixon anscheinend fest entschlossen ist auszulösen, denn anders kann man seine Entschlossenheit, in der Frage der Tonbänder bis zum Obersten Gerichtshof zu gehen, nicht deuten, eine Krise ist, die ihm aufgrund von Zufällen und Irrtümern aufgezwungen wurde – oder ob es sich dabei um einen geniales Paradebeispiel von juristischem Zynismus handelt, das irgendwann vor Wochen in den Tiefen der Hirnwindungen von Nixons Rechtsberater John Williams ausgebrütet wurde, dessen Sachverstand einen schon legendären Ruf genießt.
Die derzeit in der Presse verbreitete Version – basierend auf »handfesten Beweisen«, wie man es normalerweise nennen würde, oder zumindest auf vertraulichen Quellen im Ervin-Ausschuss – besagt: Die Existenz der Bänder und die Tatsache, dass Nixon, seit er gewählt wurde, systematisch jede Unterhaltung mit jedem Gesprächsteilnehmer in jedem seiner Büroräume mittels Wanzen hat abhören und auf Band mitschneiden lassen, war eine streng geheime Angelegenheit, deren Aufdeckung nur einer Mischung aus Zufall, scharfem Verstand und detektivischer Wühlarbeit zu verdanken war. Wenn man den inoffiziellen, aber normalerweise zuverlässigen Quellen glauben kann, hatte sich Alex Butterfield – derzeit Chef der Luftfahrtbehörde, zuvor »Leiter der Abteilung Innere Sicherheit« im Weißen Haus – während einer »mehr oder weniger auf bloßen Verdacht hin« erfolgten inoffiziellen Vernehmung durch den Ervin-Untersuchungsausschuss derartig um Kopf und Kragen geredet bei dem Versuch zu erklären, warum einige der Protokolle aus dem Oval Office wortwörtliche Passagen aufwiesen, dass er schließlich einknickte und die ganze Geschichte über Nixons Abhörmaschinerie ausplauderte.
Einer der an der inoffiziellen Vernehmung Beteiligten – sie wurde im sogenannten »Heizungsraum« des Ervin-Komitees in den dunklen Windungen der untersten Etage des alten Senatsgebäudes durchgeführt – ließ durchsickern, dass Butterfield nicht erklären konnte, wieso die Niederschriften der Gespräche im Oval Office so präzise waren, dass in ihnen Pausen, Füllwörter, Halbsätze und sogar individuelle Floskeln vermerkt waren.
»Als ich ihn schließlich fragte, ob es sich bei diesen Protokollen eventuell um Transkriptionen von Bändern handelte«, erklärte der Vernehmer, »sackte er förmlich in sich zusammen und sagte: ›Ich wünschte, Sie hätten mir diese Frage nicht gestellt.‹ Und dann erzählte er alles.«
Vierundzwanzig Stunden später saß ich im Tagungsraum des Untersuchungsausschusses, als sich kurz vor der Mittagspause unter den Journalisten das Gerücht verbreitete, dass als Nächstes nicht der auf der Tagesordnung vermerkte Nixon-Anwalt Herbert Kalmbach vernommen würde,
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