Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Beutel Drogen, die einem ordentlich das Hirn durchrüttelten, für diejenigen, die es zum Ende des Wahlkampfs richtig krachen lassen wollten, unabhängig davon, wie die Sache ausging. Am dringendsten allerdings brauchten wir jetzt, wo sich die Abenddämmerung über die Stadt senkte und die Wahllokale um sieben Uhr schlossen, ein Büro mit jeder Menge Telefonanschlüsse, um in letzter Sekunde noch schnell all jene mit Anrufen zu bombardieren, die bisher noch nicht zur Abstimmung erschienen waren. Zu diesem Zwecke hatten wir kurz vor fünf von unseren Wahlbeobachtern, die seit dem Morgen im Einsatz waren, die Wählerlisten einsammeln lassen, und es war nach einer schnellen Zählung klar geworden, dass die Freak-Power-Bewegung eine massive Beteiligung an den Tag gelegt hatte.
In den letzten Stunden dieses Wahltags im November 1969 sah es ganz so aus, als ob Joe Edwards, ein 29-jähriger Anwalt und Motorradrennfahrer aus Texas, der nächste Bürgermeister von Aspen, Colorado, werden würde.
Der nicht mehr kandidierende bisherige Bürgermeister Dr. Robert »Bugsy« Barnard hatte während der letzten 48 Stunden im Radio finstere Warnungen abgesondert, dabei von langjährigen Gefängnisstrafen wegen Wahlbetrugs gefaselt und damit gedroht, dass »Phalanxen von Wahlbeobachtern« gewalttätige Maßnahmen gegen jedweden Abschaum ergreifen würden, der irgendwie merkwürdig oder freakig aussah und es wagte, sich bei den Wahllokalen blicken zu lassen. Wir informierten uns über die Gesetzeslage und fanden heraus, dass Barnards Warnungen im Radio den Tatbestand der »Wählereinschüchterung« erfüllten, und so rief ich den Bezirksstaatsanwalt an und versuchte, einen sofortigen Haftbefehl gegen den Bürgermeister zu erwirken … doch der Staatsanwalt meinte nur: »Lassen Sie mich da raus, stellen Sie doch Ihre eigene Wahlpolizei auf.«
Und genau das taten wir dann in Form von gut organisierten Teams von Wahlbeobachtern: jeweils zwei Leute, die sich ständig im Inneren des Wahllokals aufhielten, während davor jeweils sechs weitere in Kleinbussen oder Trucks Wache schoben, die mit Proviant, Propagandamaterial, Checklisten und gebundenen Fotokopien sämtlicher Wahlgesetze des Staates Colorado ausgestattet waren.
Die Idee war, ständig massive Verstärkung für unsere Leute in den offiziellen Wahllokalen bereitzuhalten. Und auch wenn diese unverhüllte Präsenz ziemlich schweres Kaliber darstellte – was eine Menge Leute abschreckte, die allerdings sowieso nie für Edwards gestimmt hätten –, so stand dahinter die Besorgnis, dass der Bürgermeister und seine Cops schon relativ früh am Wahltag irgendwelche Schweinereien abziehen könnten, die sich schnell herumsprechen und für Panik sorgen sollten, um auf diese Weise einen Großteil unserer Anhänger vom Urnengang abzuhalten. Unabhängig von der Rechtslage hatten die meisten unserer Leute Schiss vor jedweder Form von Schikanen seitens der Polizei anlässlich der Wahl. Also schien es uns wichtig, gleich von Anfang an in aller Deutlichkeit zu demonstrieren, dass wir die Rechtslage genau kannten und keinerlei Schikanen gegen unsere Leute dulden würden. Nicht die geringsten.
Jeder unserer Wahlbeobachter der Abendschicht war von uns ausgestattet mit einem tragbaren Tonbandgerät samt Mikrofon, um es jedem der gegnerischen Wahlbeobachter unter die Nase zu halten, der irgendwelche Fragen stellte, die über die rechtlich zulässigen Fragen nach Name, Adresse und Alter hinausgingen. Wurden weitere Fragen gestellt, so verstieß dies gegen ein obskures Gesetz gegen »Versuche der Wahlbehinderung«, sozusagen der kleine Bruder des wesentlich schwerer wiegenden Vorwurfs der »Einschüchterung der Wähler«.
Und da der Einzige, der tatsächlich damit gedroht hatte, Wähler einzuschüchtern, der Bürgermeister gewesen war, beschlossen wir, es so früh wie möglich im Wahlbezirk 1 zu einer Konfrontation kommen zu lassen, wo Bugsy nach eigener Ankündigung höchstpersönlich die Frühschicht als Wahlbeobachter im Auftrag unserer Gegner übernehmen wollte. Wenn die Arschficker eine Konfrontation wollten, so unsere Überlegung, dann sollten sie sie bekommen.
Das Abstimmungslokal des Wahlbezirks 1 war das »Cresthaus«, ein Hotel, das einem alten, als Nazi berüchtigten Schweizer gehört, der sich Guido Meyer nennt. Guido ist nach Aspen abgehauen – wo er ein paar Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg aufgetaucht ist … und seitdem einen Großteil seiner Energie darauf verwendet (darunter auch
Weitere Kostenlose Bücher