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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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gefangen gewesen in jenem feurigen Syndrom, das mich veranlasst hatte, ein paar Stunden zuvor meine Predigt vom Innenbalkon zu halten – und die Anzeichen wahnwitzigen Zitterns in meiner Stimme teilten sich offensichtlich sehr deutlich all denen mit, die ich mit meinen Ferngesprächen erreichte, obwohl ich mir doch alle Mühe gegeben hatte, gerade sie zu verbergen.
    Wie lange noch, gnädiger Gott, wie lange noch? Dies ist nun das zweite Jahr hintereinander, dass ich zur Super Bowl gefahren bin und mir – zumindest 48 Stunden vor Spielbeginn – absolut sicher war, wie es ausgehen würde. Und es ist auch das zweite Jahr hintereinander, dass es mir absolut versagt geblieben ist, finanziell aus dieser Gewissheit Kapital zu schlagen. Letztes Jahr, als ich hauptsächlich mit reichen Kokainsüchtigen wettete, schichtete ich alle meine Einsätze am Freitagabend von Washington auf Miami um – und in der daraus resultierenden Verwirrung fielen meine Nettogewinne fast gänzlich einem weitverbreiteten Groll und persönlicher Verbitterung zum Opfer.
    Um ebendiesem Problem zu entgehen, wartete ich in diesem Jahr bis zum letzten Augenblick mit meinen Einsätzen – trotz der Tatsache, dass ich schon am Montagnachmittag vor dem Spiel wusste, dass die Vikings dem Untergang geweiht waren, als ich sie auf ihrem sternengeschmückten Übungsfeld vor der Presse auftreten sah. Schon da war sicher, dass sie verschreckt und höchst unsicher waren, was da auf sie zukam – aber ich musste doch erst die zwanzig Meilen Umgehungsstraße zur anderen Seite der Stadt fahren und mir die Dolphins ansehen, um absolut sicher zu wissen, worauf ich wetten konnte.
    Es gibt eine Menge Faktoren, die mit der spezifischen Eigenart der Super Bowl zusammenhängen und den Spielausgang daher weitaus leichter voraussagbar machen als bei normalen Spielen, während der Saison oder bei anderen Entscheidungsspielen – aber diese Faktoren kann man weder ahnen noch verstehen, wenn man 2000 oder auch nur 20 Meilen entfernt ist und angewiesen auf die Weisheiten oder Informationen, die unter dem Deckmantel »weltweite Berichterstattung« daherkommen und doch nichts anderes sind als Hirngespinste der Medien, entweder durch die rosarote Brille gesehen oder besoffenen Köpfen entsprungen.
    Beim Profi-Football verändern sich Einsicht und Verständnis drastisch, je nachdem aus welcher Distanz man ihn betrachtet, physisch, emotional, intellektuell oder wie auch immer … Und genauso soll es auch sein, zumindest nach Ansicht der erstaunlich geringen Anzahl von Menschen, denen das Spiel gehört und die es kontrollieren, denn es ist dieser peinlich genau beachtete und mit Fingerspitzengefühl gehandhabte Distanzfaktor, der für den hochprofitablen Mythos verantwortlich ist, der in weniger als fünfzehn Jahren die geheiligte Institution Baseball von ihrem Sockel als »Lieblingsfreizeitbeschäftigung der Nation« stieß.
    Es gab noch andere Gründe für den jähen Popularitätsverlust, den Baseball zwischen 1959 und heute bei allen, außer älteren Männern und Sportjournalisten mittleren Alters, zu verzeichnen hatte – genau wie es eine Vielzahl von Erklärungen für den sicheren Niedergang des Profi-Footballs zwischen heute und 1984 geben wird –, aber wenn die Sporthistoriker jemals auf all dies zurückblicken und nach Erklärungen suchen, dann werden sie nicht umhinkönnen, den kometenhaften Aufstieg des Profi-Footballs in den Sechzigerjahren in direktem Zusammenhang mit seiner frühen Ehe mit dem Fernsehen zu sehen. Daraus entstand nämlich eine gigantische Publikumsschar von Küste zu Küste, Lehnstuhl-Fans, die »aufwuchsen« – zumindest was ihr persönliches Verhältnis zum »Spiel« betrifft – in der Vorstellung, Profi-Football sei etwas, das jeden Sonntag auf dem Bildschirm stattfindet. Der Gedanke, etwa acht Meilen auf einem überfüllten Freeway zurückzulegen, dann drei Dollar für einen Parkplatz zu bezahlen und noch mal zehn Dollar Eintritt zu berappen, um dann das Spiel von einem besonders günstigen Platz auf einer feuchten Holzbank fünfundfünfzig Reihen über der 19-Yard-Linie in einer Menge lärmender Saufköpfe zu betrachten, verursachte absoluten Widerwillen in ihnen.
    Und damit hatten sie unbedingt recht. Nach zehn Jahren Erfahrung mit beiden Möglichkeiten – und besonders nach der Betrachtung dieses letzten jämmerlichen Super-Bowl-Spiels von einem Vorzugsplatz in der »Presse-Sektion« hoch über der 50-Yard-Linie – hoffe ich bei Gott,

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