Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
niemals wieder der Schwäche oder dem Wahnsinn zu erliegen, die einen Menschen veranlassen, sich freiwillig dieser unbegreiflichen Hölle auszuliefern und an einem Sonntagnachmittag in einem kalten und regnerischen Stadion drei Stunden auszuharren und mitbekommen zu wollen, was dort unten auf dem weit entfernten Spielfeld vor sich geht.
Bei der Super Bowl kam ich noch in den Genuss meiner üblichen Hilfsmittel für solche Spieltage: ein starkes Fernglas, ein winziges Kofferradio für den Prasselregen wortreicher Kommentare zu Einzelheiten, die im Fernsehen niemals erwähnt werden, und ein Platz zur guten Linken meines Freundes Mr. Natural … Aber trotz all dieser Hilfsmittel und eines Platzes an der 50-Yard-Linie wäre ich doch lieber in meinem Hotelzimmer geblieben und hätte das verdammte Ding im Fernsehen erlebt; oder vielleicht in irgend ’ner Bar, mit sturzbesoffenen Typen, die schwer wetten – die Art von Jungs, die auf jeden Spielzug wetten, Pass oder Lauf, drei zu eins gegen ein erstes Down, zwanzig zu eins auf einen Turnover …
Als ich schließlich aus Houston entkam, war es ein kalter Dienstagnachmittag, und auf der Straße zum Flughafen standen Riesenpfützen. Ich verpasste beinahe mein Flugzeug nach Denver, denn es gab noch Streit mit Jimmy dem Griechen darüber, wer uns zum Flughafen fahren sollte, und zusätzlichen Trouble mit dem Garagenwart des Hotels darüber, wer die Gebühren für acht Tage Unterstellen meines erschwindelten »Offiziellen Super-Bowl-Autos« bezahlen sollte … und wahrscheinlich hätte ich es überhaupt nicht mehr geschafft, wenn ich nicht mit einem PR-Typen der NFL zusammengetroffen wäre, der mir genug Speed gab, um mich wachzumachen und den kleinen weißen Mercury Cougar auf dem Dallas Freeway zum Airport zu prügeln, um ihn gerade noch rechtzeitig im Parkbereich »Abflug/Nur Taxis« stehen zu lassen und mir einen Mann für fünf Dollar anzuheuern, der mein Gepäck und meine Soundausrüstung in letzter Sekunde zum Continental-Airlines-Schalter schleppte.
Die bei Weitem provokativste Äußerung der ganzen miesen Woche kam am Montag nach dem Spiel von Miamis Linebacker Doug Swift. Er redete in seiner üblichen lockeren Art nach dem Motto »Was kümmert mich das schon!« mit zwei oder drei Sportjournalisten im überfüllten Foyer des Marriott. Busse fuhren zum Flughafen, Dolphin-Anhänger und ihre Frauen checkten aus, das Foyer stand voller herrenloser Koffer, und in einer Ecke hinten unterhielt sich Don Shula mit einer weiteren Meute von Schreibern und wies die Unterstellung weit von sich, er werde sich jemals von Jim Kiick trennen, obwohl Kiick über die Aussicht, ein weiteres Jahr die Ersatzbank drücken zu müssen, offensichtlich nicht gerade froh war: der running back Mercury Morris wurde ihm ständig vorgezogen.
Unterdessen widmete sich Doug Swift auf der anderen Seite des Foyers einem Gespräch, das sich wie das Shulas inzwischen dem Geld und den Verträgen für das nächste Jahr zugewendet hatte. Swift hörte zu, sah dann den an, der gerade mit ihm geredet hatte, und sagte:
»Sie können sich darauf gefasst machen, im [Miami-]Team nächstes Jahr eine Menge neuer Gesichter zu sehen. Viele wichtige Verträge stehen zur Verlängerung an, und Sie können darauf wetten, dass die Jungs mehr verlangen werden, als das Management zu zahlen bereit ist.«
Niemand schenkte der zeitlich entschieden ungünstig platzierten und außerdem sehr lässig geäußerten Voraussage über »eine Menge neuer Gesichter im nächsten Jahr« große Beachtung, aber derartige Aussagen waren bestimmt nicht sonderlich geeignet, Shulas oder Joe Robbies Stimmung an diesem Morgen zu heben. Mein Gott, hier stand der Mannschaftsführer des Teams – ein Star-Linebacker und einer der scharfsinnigsten und politisch bewusstesten Burschen der Football-Liga – und erzählte jedem, der es hören wollte, kaum zwölf Stunden nach der Siegesfeier, dass die embryonale »Dolphin-Dynastie« schon in Schwierigkeiten von ganz anderem Kaliber steckte als die, die ihm die Vikings oder die Redskins in zwei aufeinanderfolgenden Super Bowls bereitet hatten.
Als Doug Swift die Bemerkung über die »vielen neuen Gesichter im Team des nächsten Jahres« fallen ließ, dachte er nicht an einen Spieleraufstand gegen eine zwangsverordnete massenhafte Urinanalyse. Was er im Kopf hatte, war meiner Meinung nach wohl die Tatsache, dass unter den Dolphin-Verträgen, die in diesem Jahr zur Verlängerung anstanden, diejenigen von
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