Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
druckfrischen Zeitungen verstopft, dass man manchmal nur unter Schwierigkeiten die Tür aufmachen konnte.
Vierzig Schritt entfernt, auf überaus bequemen Sitzmöbeln, die um die Bar mit den Freigetränken gruppiert waren, verbrachten die Auswärtigen dann die nächsten beiden Stunden damit, den Sportteil der Lokalzeitungen zu durchforsten – sowie die nie enden wollenden und in ihrer Detailtreue fast pathologischen Informationen, die vom PR-Büro der NFL herausgegeben wurden –, immer in der dumpfen Hoffnung, doch vielleicht irgendetwas zu finden, das veröffentlichenswert sei.
Aber natürlich gab es nie etwas. Und keinen schien es zu stören. Die meisten Sportschreiber in Houston interessierten sich anscheinend ausschließlich dafür, irgendetwas zu finden, über das sie schreiben konnten … egal was, Boss: irgendein Aufhänger, irgendein Hinweis, ein Zitat, meinetwegen ein gottverdammtes Gerücht.
Ich erinnere mich noch daran, wie schockiert ich von der Schlappheit und der moralischen Dekadenz der Presseleute war, die Nixon während der Präsidentschaftskampagne von 1972 begleiteten – aber die Jungs damals waren eine Meute Vielfraße auf Speed, verglichen mit den relativ elitären Sportschreibern, die in Houston auftauchten, um über die Super Bowl zu schreiben.
Andererseits gab es wirklich keine Story. Während die Woche verstrich, wurde es immer deutlicher, dass wir alle »hier nur unsere Arbeit taten«. Niemand wusste, wer daran schuld war, und obwohl ein Drittel oder mehr der Sportjournalisten, die sich zu dem superteuren Spesenritt eingefunden hatten, genau durchblickten, was hier lief, bezweifle ich doch, dass mehr als fünf oder sechs von ihnen je auch nur annähernd so zynisch oder verächtlich über die Super Bowl VIII berichteten, wie die Gespräche an der Bar der Presse-Lounge eigentlich erwarten ließen.
Was auch immer in jener Woche in Houston geschah, es hatte kaum oder nur sehr wenig mit den Hunderten von Geschichten zu tun, die täglich über die Fernschreiber in alle Richtungen gemeldet wurden. Die meisten Geschichten waren fast unverblümte Umarbeitungen der täglichen NFL-Pressemitteilungen, die vom PR-Büro der Liga dutzendweise herausgegeben wurden. Die meisten der Geschichten über »fantastische Partys«, veranstaltet von Chrysler, American Express oder Jimmy dem Griechen, waren den Pressemitteilungen entnommen und umgeschrieben von Leuten, die den Partyabend nicht weniger als fünf Meilen entfernt von den Schauplätzen verbracht hatten, die sie in ihren Storys beschrieben.
Die offizielle Super-Bowl-Party der NFL – »das unglaubliche Texas Hoe-Down« am Freitagabend im Astrodome – war etwa so ausschweifend, glanzvoll und aufregend wie ein Picknick des Elks Club an einem Dienstag in Salina, Kansas. Die offizielle Pressemitteilung der NFL über das »Hoe-Down« wusste zu berichten, es habe sich um ein extravagantes Fest ohnegleichen gehandelt, es habe die Liga mehr als 100000 Dollar gekostet und Gäste wie Gene McCarthy und Ethel Kennedy angelockt … Was durchaus wahr gewesen sein mag, aber ich verbrachte immerhin an die fünf Stunden damit, in jenem schauderhaften Betonbunker umherzuschleichen, und die einzigen Leute, die mir bekannt vorkamen, waren Sportjournalisten aus der Presse-Lounge, und die konnte man noch an zehn Fingern abzählen.
Auch jetzt lässt sich schwer sagen, warum ich so überzeugt davon war, dass die Dolphins mit Leichtigkeit gewinnen würden. Der einzige Grund, warum ich bei diesem Spiel nicht extrem reich wurde, lag darin, dass es mir nicht gelingen wollte, die logistischen Probleme hoher Wetteinsätze zu meistern, und zwar auf Kredit, obwohl ich genügend wild erregte Ferngespräche aus meinem Hotelzimmer in Houston führte. Keiner der Typen, die ich in jener kirren und sumpfigen Stadt kennenlernte, war geneigt, mich mit einem verlässlichen Buchmacher bekannt zu machen, und die Leute, die ich an der Ostküste wie an der Westküste anrief – und zwar am Sonntagmorgen, mehrere Stunden vor Spielbeginn –, machten den Eindruck geradezu unnatürlicher Nervosität, als ich sie darum anging, mit ihrer eigenen Kreditwürdigkeit meine Wetten bei den einheimischen Buchmachern abzusichern.
Wenn ich jetzt zurückblicke, nachdem ich mich mit einigen dieser Leute unterhalten und sie wahnsinnig beschimpft habe, wird mir bewusst, dass das Problem etwas mit meiner geradezu hypermotorischen Sprechweise an jenem Morgen zu tun gehabt haben muss. Ich war noch immer
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