Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Die Eintrittspreise wurden verdoppelt, und ein ganz neues Publikum übernahm die Sitze. Dieselbe Sorte Leute, die ich in der letzten Saison bei den vier Spielen erleben musste, die ich mir im Oakland Coliseum antat: eine halbreiche Meute aus nervösen Ärzten, Anwälten und Bankangestellten, die ein ganzes Spiel absaßen, ohne auch nur den geringsten Laut von sich zu geben – nicht mal, wenn irgendein Freak mit der Birne voll Acid ihnen den Inhalt seiner Bierflasche hinter den Kragen ihrer grauen Skianoraks aus Plastik goß. Gegen Ende der Saison, als die Raiders jede Woche fighten mussten, um in die Entscheidungsrunde zu kommen, hing einigen Spielern die dumpfe Art ihrer »Fans« so zum Hals raus, dass sie öffentlich dazu aufriefen, man möge sie doch mal »anfeuern« oder »Lärm machen«.
Ein schlechter Witz, wenn man nicht mit ihm leben musste – und was mich betrifft, so kann ich nur hoffen, dass ich mir nie wieder ein Footballstadion von innen anzusehen brauche. Nicht mal auf Freikarte und mit Freischnaps in der Pressebox.
Die Chose ist gelaufen, und Vorwürfe mache ich Vince Lombardi. Der Erfolg seiner Greenbay-Spielweise in den Sechzigerjahren veränderte die Spieldynamik. Lombardi dachte niemals wirklich ans Gewinnen ; sein Trip war: nur nicht verlieren! … Und das klappte, und weil es klappte, kaufte der Rest der NFL Lombardi seinen Stil ab: Man vermeide Fehler, mache keinen Scheiß, bleibe hart am Ball und gehe kein Risiko ein … denn früher oder später wird der Gegner einen Fehler machen, und dann kann man ihn in die Pfanne hauen, und wenn man die richtige Verteidigungsstrategie draufhat, kommt man mindestens dreimal in jeder Hälfte in seinen 30-Meter-Raum, und wenn man einmal in seinem 30-Meter-Raum ist, kann man mit Sicherheit auch drei Punkte machen …
Wunderbar. Wer wird an so einem Schlachtplan schon etwas aussetzen wollen? Aber man sollte sich daran erinnern, dass Richard Nixon so manchen Sonntag in all den langen, einsamen Herbsten zwischen 1962 und 68 damit verbrachte, bei Green-Bay-Packers-Spielen mit Vince Lombardi am Spielfeld entlangzuschlurfen.
Nixon redet noch immer von Lombardi, als könne er jeden Augenblick auftauchen, hervorkriechen unter einem der größeren Steinbrocken auf dem Rasen des Weißen Hauses … Und Don Shula hat, trotz seiner ziemlich offensichtlichen Abneigung gegenüber Nixon, den Footballstil von Lombardi so gekonnt übernommen, dass die Dolphins mittlerweile zu einem der langweiligsten Teams in der Geschichte des Profi-Footballs geworden sind.
Aber die meisten anderen Mannschaften sind genauso langweilig – und wenn es noch eines Beweises bedarf, dann hocke man sich mal an einem beliebigen Wochenende vor einen Fernsehapparat, der auf drei verschiedenen Kanälen Profi-Football, Basketball und Eishockey bringt. Was die pure Action und die Dynamik betrifft, ist die NFL zähflüssiger Sirup, verglichen mit der feinsinnigen Ausgedrehtheit, die sich einem mitteilt, wenn man sich in Spiele schafft, die Teams wie die Montreal Canadiens oder die Boston Celtics zu bieten haben.
Eine der wenigen klaren Erinnerungen, die ich mir noch immer an die vernebelte Woche in Houston bewahre, ist der Anblick der Trophäe, die dem Team überreicht werden sollte, das das Große Spiel am Sonntag gewinnen würde. Klar, dass sie nach Vince Lombardi »The Lombardi Trophy« genannt wurde – eine fette Silberfaust, die aus einem Brocken schwarzen Granits herausragt.
Die Trophäe hat die Anmut und Grazie einer Eisscholle im Nordatlantik. An einer Seite ihres Sockels ist eine Plakette angebracht, auf der irgendetwas über Vince Lombardi und die Super Bowl zu lesen steht … aber die interessanteste Sache an ihr ist ein Wort, das aus unerfindlichen oder zumindest ästhetisch kaum zu rechtfertigenden Gründen oben in den schwarzen Marmorsockel graviert worden ist: »DISZIPLIN«.
Mehr steht nicht da, und mehr braucht wohl auch nicht gesagt zu werden. Die Dolphins von 73 werden wohl, wenn mich nicht alles trügt, für den Profi-Football werden, was die Yankees von 64 für den Baseball waren, die letzte Blüte einer Ära, deren Zeit gekommen und vergangen ist. Der lange Schatten von Vince Lombardi mit seinen schinkengroßen Fäusten wird noch so manches Jahr über uns fallen … aber der Kick is’ raus …
Sollten wir dieses verfluchte Geschreibsel vielleicht mit diesen Worten enden lassen?
Warum nicht? Sollen die Sportjournalisten doch von hier aus weitermachen. Und wenn die richtige
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