Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
beschränkter Handlanger wie Gerry Ford zwei oder sogar sechs Jahre lang die Regierung mit aller Vorsicht ungefähr wie ein Hausmeister führen würde, eine willkommene Erleichterung. Nicht mal die bedrohliche Gegenwart des Vizepräsidenten Nelson Rockefeller, der nur eine Handbreit entfernt von der Präsidentschaft lauerte, machte mir zu schaffen.
Nach mehr als zehn Jahren Bürgerkrieg mit dem Weißen Haus und all dem Schweinepack, das entweder dort lebte oder arbeitete, war ich bereit, im Zweifelsfall jedem Präsidenten zuzustimmen, der sich halbwegs menschlich aufführte und genug Verstand besaß, nicht mit einer Hakenkreuz-Armbinde in der Öffentlichkeit herumzulaufen.
Nun … die gottverdammte Chose ist jetzt vorbei; sie endete am Donnerstagnachmittag mit der Anmut und der Bedeutungsschwere einer Cola-Flasche, die von einer Feuerleiter im dritten Stock auf die Bowery runtergeworfen wird – sie zerplatzt auf dem Gehsteig und erschreckt alle, die in der Nähe sind, zu Tode, sowohl die, die eine ordentliche Portion Glassplitter reingefetzt kriegen, wie die Menge »ahnungsloser Unbeteiligter«, die noch immer nicht wissen, was passiert ist …
… und es wahrscheinlich nie erfahren werden; an der ganzen Sache ist etwas Unheimliches, nicht zu Ende Gebrachtes, Unvollständiges. Über ganz Washington liegt heute Abend der üble Gestank eines massiven Nervenkriegs, den niemand wirklich gewonnen hat. Richard Nixon ist übers Knie gebrochen, kasteit und kastriert worden, alles auf einen Schlag, aber nicht mal für mich ergab sich wirklich ein Kick oder ein Hochgefühl daraus, dass ich einen Logenplatz im letzten Akt, bei der Totenwache, gehabt hatte, als zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten ein Präsident aus dem Weißen Haus gejagt wurde und man ihn zusammen mit allen anderen Spinnern und gemeinen Kriminellen in die Gosse beförderte …
Wenn man auf die letzten paar Monate seiner Präsidentschaft zurückblickt, kann man leicht erkennen, dass Nixon schon immer zum Untergang verurteilt war – oder doch zumindest von dem Augenblick an, als Archibald Cox beschloss, es zu einem Showdown kommen zu lassen, um die Frage des »Präsidentenprivilegs« zu klären, indem er einen U.S. Marshal rüber ins Weiße Haus schickte, der eine gerichtliche Anordnung dabeihatte, die unter Strafandrohung die Herausgabe einiger Bänder aus dem Oval Office verfügte.
Natürlich ignorierte Nixon diese Anordnung, aber nicht mal die verrückte Entlassung von Cox, Richardson und Ruckelshaus konnte sie aus der Welt schaffen. Und als Jaworski Nixons Recht, sich dieser Anordnung zu widersetzen, vor dem Obersten Gerichtshof prüfen ließ, kam das Räderwerk des Verderbens auf Touren. Und von diesem Zeitpunkt an war allen Hauptbeteiligten außer Nixon selbst klar, dass das Undenkbare plötzlich unausweichlich geworden war; es war nur eine Frage der Zeit … und genau um diese Zeit herum begann Nixon, seine Kontrolle über die Realität zu verlieren.
Nur Stunden nachdem Jaworski und Nixons »Watergate-Anwalt« James St. Clair während einer Sondersitzung des Gerichts den Fall diskutiert hatten, sprach ich mit Pat Buchanan und musste zu meiner Überraschung hören, dass Nixon und seine Schlaumeier im Weißen Haus voller Zuversicht waren, der Entscheidungsspruch werde fünf zu drei zu ihren Gunsten ausfallen. Sogar Buchanan, der ungefähr 79 Prozent der Zeit vernünftig denkt, glaubte offensichtlich – weniger als zwei Wochen, bevor sich das Gericht einstimmig gegen Nixon entschied –, dass fünf der acht Richter, die über die Frage entscheiden mussten, kein juristisches Hindernis sehen würden, Nixons Wahnvorstellung gutzuheißen, alles, was im offiziellen Büro des Präsidenten diskutiert werde – sogar eine offenkundig kriminelle Absprache –, sei persönliches Eigentum des Präsidenten, wenn er sich entscheide, ebendies mithilfe seiner persönlichen Tonbandgeräte aufzuzeichnen.
Die Möglichkeit, dass sogar einige der Richter, die der Boss höchstpersönlich in das Gericht berufen hatte, nicht jubelnd einer Vorstellung von Präsidentenimmunität zustimmen würden, die sowohl der Verfassung der Vereinigten Staaten wie der Magna Charta spottete, war offenbar von Nixons Strategen für eine Weile erwogen, dann aber als abwegig verworfen worden.
In der Tat, noch immer fällt es schwer zu glauben, dass einige der engsten Ratgeber eines Präsidenten einer konstitutionellen Demokratie im Jahre 1974 erwarten konnten, dass der
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