Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
die kalte Schulter und legte bei seinen Reden sogar noch einen Zahn zu. Am Ende jedoch vermochte nicht mal mehr Clawson mit dem Gerücht zu leben, der gute Jesuitenpater plane, seine Freundin zu ehelichen. Das war zu viel, sagt man, zu viel für die strengen Prinzipien und die Empfindsamkeit von General Haig, dem Stabschef des Weißen Hauses, dessen Bruder in Baltimore ein echter Priester war. McLaughlin verschwand nach sechs übermütigen Wochen auf der nationalen Politbühne ganz plötzlich, und man hat nie wieder von ihm gehört.
Aber darauf war Clawson vorbereitet. Kaum war der Priester übern Jordan geschickt, zauberte Clawson einen weiteren heiligen Mann aus dem Hut – den Rabbi Baruch Korff, einen echten Blödmann, kaum genug bei Sinnen, um sich die Schuhe zubinden zu können, aber hitzig erpicht darauf, seinen Namen und seine hirnrissige Unterstützung einer jeden Aktion zu leihen, auf die Clawson ihn ansetzte. Unter dem Banner »Nationales Bürgerkomitee für Fairness gegenüber dem Präsidenten« »organisierte« er im ganzen Land Demonstrationen, Dinnerpartys und Pressekonferenzen. Einer seiner wichtigsten Geldgeber war Hamilton Fish sr., ein berüchtigter Faschist und der Vater des Kongressabgeordneten Hamilton Fish jr. aus New York, der als Mitglied des Rechtsausschusses im Repräsentantenhaus klammheimlich für die öffentliche Anklage stimmte, obwohl er doch Republikaner war.
Vor einem Monat noch schienen die Schicksalsstürme gegen Präsident Nixon noch einmal abzuflauen. In den gut unterrichteten Kreisen Washingtons wuchs die Überzeugung, die Kampagne für eine öffentliche Anklage habe ihren Schwung verloren … (aber) jetzt ist klar, dass die gut Unterrichteten sich täuschten, dass sie ein vorübergehendes Aufbrechen der Wolken für lang andauernden Sonnenschein hielten …
– R. W. Apple jr., The New York Times , 28. Juli 1974
Tatsächlich war Nixon schon zum Scheitern verurteilt, als das Rodino-Komitee zur Abstimmung schritt. Die einstimmige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage des »Präsidentenprivilegs« in Hinsicht auf die 64 strittigen Tonbänder war der Anfang vom Ende. Nixon hatte die ganze Zeit schon gewusst, dass die Herausgabe dieser Bänder ihn erledigen würde – aber er hatte über ihren Inhalt ständig Lügen erzählt: nicht nur der Presse und der Öffentlichkeit, sondern auch seiner Frau und seinen Töchtern und allen eingeschworenen Treugesinnten seines Stabes. Er belog, was die Bänder betraf, Barry Goldwater und Gerry Ford, Hugh Scott und John Rhodes, Al Haig und Pat Buchanan, ja sogar seinen eigenen Anwalt, James St. Clair – der, ebenso wie die anderen, dumm genug war, ihm zu glauben, als er schwor, dass die Bänder, die er niemanden hören lassen wollte, letztlich seine Unschuld beweisen würden.
Zu dem Zeitpunkt war wohl jeder Journalist, der in Washington auf die Nixon-Totenwache angesetzt war, runter auf durchschnittlich zwei Stunden Schlaf pro Nacht, und das seit Sommeranfang. Viele waren schwach und verwirrt und erlagen Alkohol oder Drogen, wann immer sich dazu Gelegenheit bot. Andere schienen von Tag zu Tag am Rande der totalen Erschöpfung zu balancieren. Radio- und Fernsehreporter im Pressezentrum des Weißen Hauses mussten sich damit zufriedengeben, Artikel aus der nächstbesten Zeitung zu reißen und sie wörtlich in ihren Sendungen vorzulesen – während die Leute von den Zeitungen und Zeitschriften die Live-Sendungen mitschnitten und sie dann Wort für Wort unter ihrem eigenen Namen zitierten. Ende Juli war dann die Aussicht, die Debatte über eine öffentliche Anklage im Repräsentantenhaus und dann den Prozess vor dem Senat drei oder vier Monate lang ohne Pause miterleben und über sie berichten zu müssen, beinahe unerträglich. Als der August begann und bei Nixon noch immer kein Anzeichen von Aufgabebereitschaft zu bemerken war, wurde immer häufiger »Die Selbstmord-Option« ins Gespräch gebracht.
Als jener Freitagmorgen dämmerte, an dem Richard Milhous Nixon sein letztes Frühstück im Weißen Haus einnehmen sollte, zog ich mir meine Badehose und einen roten Regenparka an, haute mir den Kopf mit etwas grauem argentinischen Schnupfzeug voll und nahm dann einen Fahrstuhl hinunter zu dem großen Pool unterhalb des Fensters meiner Suite für Nationale Angelegenheiten im Washington Hilton. Es regnete noch immer, und deshalb transportierte ich meinen tragbaren Fernseher, einen Notizblock und vier Flaschen Bass Ale in einem wasserdichten
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