Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
höchste Gerichtshof irgendeiner konstitutionellen Demokratie das am meisten geschmähte Präjudiz in der Geschichte der angloamerikanischen Rechtsprechung – »das göttliche Recht der Könige« – herauskramen würde, um die Vorstellung zu legalisieren, ein Präsident der Vereinigten Staaten oder einer anderen sogenannten Demokratie stünde über »dem Gesetz«.
Dass Nixon und seine persönliche Gestapo tatsächlich glaubten, dies könne geschehen, ist kennzeichnend für die Geistesgestörtheit derer, die Nixon mit sich hinunter in den Bunker nahm, als er merkte, dass es ernst wurde.
Aber schon als sie noch tönten, war eine hohle Unsicherheit, war Paranoia in ihren Stimmen, so als fühlten sie schon den Sog der Ebbe an ihren Füßen – genau wie Nixon es gefühlt haben muss, als er ein paar Wochen zuvor allein am Strand von San Clemente spazieren ging, mit aufgerollten Hosenbeinen langsam durchs Wasser stapfend, während er in grimmiger Einsamkeit darauf wartete, wie sich der Oberste Gerichtshof zu seinem Anspruch auf das »Präsidenten-Privileg« entschied. Das Wasser, das an seinen Füßen saugte, muss ihn fast hinaus auf See gerissen haben, als Ziegler von der großen Düne vor La Casa Pacifica hinunterrief: »Mister President! Mister President! Wir haben gerade die Nachricht erhalten! Die Entscheidung war einstimmig – acht zu null.«
Nixon krakeelt vor Begeisterung: Er bleibt in seinen sich mit Wasser füllenden Fußspuren stehen und reißt beide Arme in die Luft, die Finger zum Victory-Zeichen gespreizt. »Wunderbar!«, ruft er. »Ich wusste , wir würden es schaffen, Ron! Auch ohne diesen Clown Renchburg. Ich habe schließlich nicht umsonst diese anderen dummen Fürze in den Gerichtshof berufen!«
Ziegler starrt auf ihn hinunter, auf diese abgemeldete Vogelscheuche von einem Präsidenten am Rande der Wellen. Warum grinst er? Warum scheint er so glücklich über eine derart schreck liche Nachricht?
»Nein!«, schreit Ziegler. »Das habe ich nicht gemeint. Das habe ich überhaupt nicht gemeint!« Er zögert, kämpft gegen ein Schluchzen an. »Die Stimmen waren acht zu null – gegen Sie.«
»Was?« Die Vogelscheuche am Strand sinkt in sich zusammen. Die Arme fallen, die Hände schlackern wie irre um die Taschen der nassen Hosen. »Diese dreckigen Hunde!«, schreit er. »Denen treten wir in die Eier!«
»Ja, Sir!«, schreit Ziegler. »Die werden sich wünschen, nie auf die Welt gekommen zu sein!« Er reißt ein Notizbuch aus der Innentasche seines Jacketts und kritzelt: »Ihnen in die Eier treten.«
Ach, armer Ron. Ich kannte ihn ziemlich gut. Ja, es war Ziegler gewesen, der mir vor Monaten den Tipp gegeben hatte, Nixon sei am Ende. Das war im Juli, in jener Zeit der Ruhe vor dem Sturm, als die klugen Köpfe in Washington einander verdrießlich zunickten, wenn jemand der Vermutung Ausdruck gab, diese Impeachment-Sache sei wohl im Abklingen und Nixon könne vielleicht davonkommen, ja, er habe sich sogar schon wieder erholt und sei dabei, auf Angriff zu schalten.
Das waren die Tage jugendlicher Naivität im Frühsommer, vor jener schicksalsträchtigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die Tage, als der Goebbels Nixons – der ehemalige »Kommunikationsdirektor« des Weißen Hauses, Ken Clawson – einen trügerischen Hoffnungsschimmer über dem Weißen Haus aufdämmern ließ, indem er den schon das ganze Jahr andauernden Popularitätsverlust Nixons in den öffentlichen Meinungsumfragen zeitweilig aufhalten konnte, weil er täglich die Presse mit knalligen Attacken gegen »professionelle Nixon-Hasser« und »prinzipienlose Liberale im Kongress« bombardierte und damit Schlagzeilen machte. Zu jenem Zeitpunkt begannen jedoch die meisten von Nixons traditionellen Verbündeten die Schreie der Todesfee des Nachts über dem Rasen des Weißen Hauses zu hören, und sogar Billy Graham hatte ihn verlassen. Und daher setzte Clawson, in einem billigen Geniestreich, einen sybaritischen Jesuitenpriester und einen geistig zurückgebliebenen Rabbi auf die Gehaltsliste und schickte sie hinaus, um sich den Mächten des Bösen entgegenzuwerfen.
Pater John McLaughlin, der Jesuit, schwelgte so ungefähr einen Monat glückselig in seiner Rolle als »Nixons Priester«, aber sein Stern verblasste sehr schnell, als bekannt wurde, dass er mehr als 25000 Dollar im Jahr für seine Bemühungen einstrich und zudem in einem Luxusapartment im Watergate wohnte. Seine Kirchenoberen waren entsetzt, aber McLaughlin zeigte ihnen
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