Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
dafür die Amnestie gewähren würde, wann immer er darum nachsuchte –, und er hatte damals schon gewusst, dass er sie viel eher brauchen würde, als Gerry erwartete. Als diese Absprache getroffen war (und auf Tonband aufgezeichnet), machte Nixon einfach weiter, solange es ging, und sprang dann gerade noch rechtzeitig ab, um seine lebenslange Arbeitslosenunterstützung als ehemaliger Präsident zu kassieren.
Er wird jetzt eine Weile Ruhe geben, aber dann wird er uns wieder heimsuchen. Sein stumpfsinniger Schwiegersohn, David Eisenhower, drängt ihn, sich 1976 in Kalifornien als Kandidat für den US-Senat zu bewerben, und Richard Nixon ist schamlos genug, das zu tun. Und wenn nicht im Senat, dann wird er eben woanders auftauchen. Auf jeden Fall können wir uns heute absolut sicher sein, dass wir uns mit Richard Milhous Nixon noch ein Weilchen herumplagen müssen.
Saigon
Bei den Überlegungen, zu welchem Thema Hunter eine weitere groß angelegte Reportage verfassen könnte, kamen Jann Wenner und Hunter S. Thompson ziemlich schnell überein, dass Vietnam sich förmlich aufdrängte, zumal Saigon kurz davorstand, von den feindlichen Truppen eingenommen zu werden. Ausgestattet mit mehreren Tausend Dollar, die er sich mit Klebeband am Bauch festgepappt hatte, trudelte Hunter im Kriegsgebiet ein, unternahm ein paar zögerliche Ausflüge an die Front und verbrachte den Rest der Zeit damit, trinkenderweise im Innenhof seines Hotels zusammen mit anderen Kriegskorrespondenten herumzusitzen, bevor er sich aus der im Chaos versinkenden südvietnamesischen Hauptstadt nach Laos in ein Hotel am Strand absetzte. Sein großes Vietnam-Epos hat Hunter nie geschrieben, sei es infolge von Stress, Furcht, Erschöpfung oder aufgrund einer ernsthaften Schreibblockade. Und so umfasst Hunters Auseinandersetzung mit einem Krieg, der bestimmend war für die gesamte Generation, der er angehörte, nur diese kurzen Notizen und Korrespondenzen.
Brief von JSW an HST, 22/4/75
Hunter,
aufgrund meiner jahrelangen Erfahrungen als Kriegsberichterstatter und Leiter eines Militärpressekorps, meiner Verwicklungen in diverse Revolutionen und meines allgemeinen Talents für blitzkriegähnliche Aktionen komme ich zu der Einsicht, dass du am besten selbst entscheidest, wann der Zeitpunkt gekommen ist, um dich aus Saigon in sicherere Gefilde abzusetzen. Ich brauche keine Berichterstattung aus Saigon nach Abschluss der offiziellen Evakuierung, und ich verlange auch nicht, dass du dort bleibst, außer du bestehst darauf. Deine Versicherungspolice erlischt in dem Augenblick, wo die Botschaft schließt, und fünfundzwanzig Riesen für einen Bericht aus Saigon nach der Evakuierung kann ich mir einfach nicht leisten. Ich halte es im Interesse deiner eigenen Sicherheit für überaus unklug, dich noch länger in Saigon aufzuhalten, da du weder mit der Stadt vertraut bist noch über zuverlässige und bewährte Kontakte zu den zukünftigen Machthabern verfügst.
Die Telefonverbindungen nach Vietnam sind teilweise gekappt, sodass es unmöglich ist, dich zu erreichen; ansonsten hätte ich dich angerufen und dir aus meinem reichen Erfahrungsschatz ein paar Tipps gegeben, wie du am besten mit der Situation umgehst … mein Gott, gerade erklärt mir die Auslandsvermittlung, dass alle Telefonnummern in Saigon, die mit neun anfangen, komplett ausgefallen sind … Also wird aus unserem fröhlichen Speed-Gequassel wohl nichts werden, dabei hatte ich mich schon darauf gefreut, mit dir über Honorare und Spesen zu verhandeln.
Mir wäre es lieber, wenn du nach San Francisco zurückkämst, um den Artikel fertigzuschreiben. Einen Abstecher nach Hongkong oder Laos halte ich für keine gute Idee, immerhin soll sich der Artikel um die letzten Tage des Amerikanischen Reiches in Saigon drehen, und einige Anmerkungen zum amerikanischen Botschafter, wie er sich in Panik mit der zusammengerollten Flagge unter dem Arm aus dem Staub macht, würden sich in diesem Zusammenhang prima machen. Falls du einen Zwischenstopp in Hongkong einlegst, schick ein Telegramm und ruf mich an, damit wir die Details bezüglich Abgabetermin klären können.
Zum Abschluss nur noch eines: Ich wollte, ich wäre bei dir und wir könnten den Problemen gemeinsam ins Auge blicken.
Jann
Verbotene Mitteilung aus der Redaktion Weltpolitik
22. Mai 1975
Wir haben einen militärischen Sieg über die Franzosen errungen, und wir werden auch die Amerikaner besiegen, denen ihr Dien Bien Phu erst noch bevorsteht, aber
Weitere Kostenlose Bücher