Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Nixon installieren.
Nach Aussagen von Butterfield war Nixon so besessen davon, jeden Schritt und jeden Moment seiner Präsidentschaft für die Geschichtsbücher aufzuzeichnen, dass er oft an nichts anderes zu denken schien. Wenn er zum Beispiel vom Weißen Haus zu seinem Büro im Executive Office Building ging, hielt er ein kleines Tonbandgerät vor den Mund und unterbrach die Unterhaltung mit ihm kein einziges Mal, während er auf seine steifbeinige Weise über den Rasen marschierte … und obwohl wir diese Bänder niemals zu hören bekommen werden, bestätigt doch allein die Tatsache, dass er sie ständig aufnahm, Alex Butterfields Beobachtung, dass Richard Nixon so im Bann der Tatsache, The President zu sein, stand, dass sein einziges Selbstgefühl in dem Job aus den Augenblicken zu schöpfen war, da er irgendwas aufnahm und es dann an einem sicheren Ort hortete, für den morgigen Abend oder die ferne Zukunft.
Eine bestürzende Ironie liegt in dieser unnatürlichen Besessenheit Nixons in Bezug auf seinen Platz in der Geschichte, wenn man sich vor Augen hält, was in ihm vorgegangen sein muss, als ihm schließlich klar wurde – wahrscheinlich irgendwann in den letzten Tagen seiner ruinierten Präsidentschaft –, welcher Platz in der Geschichte für ihn reserviert war.
So wie man es gewöhnlich anbietet, ist das fadenscheinige Argument »Nixon ist bestraft genug« ein abgeschmacktes politisches Klischee von Ignoranten … Aber dieses Bild von ihm, wie er ungelenk und allein bei Nacht über den Rasen des Weißen Hauses geht, ohne wahrzunehmen, was um ihn herum vorgeht, ausschließlich konzentriert auf das kleine, schwarz-silberne Tonbandgerät, das er sich an die Lippen hält, leise und unablässig mit der »Geschichte« sich unterhaltend, mit der spröden Intensität eines Verrückten: Wenn man sich dieses Bild für eine Weile vor Augen ruft, sollte man daran denken, dass der Name Nixon, jedes Mal wenn er in den nächsten 300 Jahren ausgesprochen wird, wohl einen eigenartigen Nachgeschmack hinterlassen dürfte und dass in jedem Geschichtsbuch, das von nun an geschrieben wird, Nixon ein Synonym sein dürfte für Schande, Korruption und Versagen.
Kein anderer Präsident in der amerikanischen Geschichte ist in derartiger Ungnade aus dem Weißen Haus getrieben worden. Kein anderer Präsident ist gezwungen worden, den Vorsitz zu führen bei dem erniedrigenden Zusammenbruch seiner Administration, oder gezwungen worden, zur Seite zu treten und hilflos – und schuldig – zuzusehen, wie einige seiner engsten Freunde und höchstrangigen Assistenten ins Gefängnis abgeführt wurden. Und schließlich war kein Präsident der Vereinigten Staaten je so verwundbar hinsichtlich Strafverfolgung, keiner war von Anklage und Prozess so bedroht – eingeschüchtert auf der Anklagebank eines Saales im Bundesgericht –, und keiner war einer Gefängnisstrafe so nahe, dass nur die plötzliche Gnade einer Amnestie durch den Präsidenten, und zwar den Mann, den er selbst zu seinem Nachfolger ernannt hatte, seine endgültige Erniedrigung verhindern konnte.
Das sind die zum Himmel stinkenden Realitäten, die Richard Nixons Platz in der amerikanischen Geschichte bestimmen werden … Und in diesem hässlichen Zusammenhang bekommt das Argument »Richard Nixon ist bestraft genug« eine andere Bedeutung. Er wird viele Nächte allein in seinem Arbeitszimmer in San Clemente verbringen und immer wieder jene Bänder anhören, die er für die kommenden Zeitalter gemacht hat, und er wird sich vage erinnern an das Gefühl von dichtem Gras unter seinem Füßen, auf dem Rasen des Rosengartens, wie es seinem Schritt eine seltsame, frische Elastizität gibt, ja, ihn sogar etwas lauter sprechen lässt, während er seinen höchstpersönlichen, verschrobenen und unechten Liebesakt mit seiner süßen kleinen japanischen Braut vollzieht und ihr immer wieder versichert, dass er wirklich The President ist, der mächtigste Mann der ganzen Welt – und gottverdammt, das merkt euch mal!
Richard Nixon ist jetzt frei. Er hat schlau und gut gepokert. Seine Absprachen mit Ford haben zum erwünschten Erfolg geführt, obwohl es ungefähr eine Woche lang ziemlich böse aussah, als er wegen der Amnestie ein bisschen rüder mit Gerry umgehen musste und drohte, er werde den Mann von der L. A. Times reinrufen und ihm mal kurz das kleine Band vorspielen mit ihrem Gespräch aus dem Oval Office – das, wo er anbot, Gerry zum Vizepräsidenten zu machen, wenn dieser ihm
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