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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Amt ist so immens, dass keiner, so vernünftig er auch sein mag, sie von sich weisen würde. Oder keine … oder keines … Jedenfalls nicht solange der jeweilige Bewohner des Weißen Hauses die Macht hat, frei werdende Stellen am Obersten Gerichtshof neu zu besetzen; denn wer immer eine solche Macht hat, kann sie – wie Nixon es getan hat – einsetzen, um in die Oberste Berufungsinstanz dieses Landes eine Horde dröger, bestrafungsgeiler Yo-Yos einzuschleusen, die dann, wie vor Kurzem geschehen, die Anti-Sodomie-Gesetze des Freistaats Virginia für nach wie vor rechtskräftig erklären … und alle, die glauben, eine 6 : 3-Entscheidung gegen »Sodomie« bedeute nichts weiter als irgendwelche abstrakten juristischen Wortklaubereien, von denen sie nicht betroffen sind, sollten darauf hoffen, dass sie niemals bei irgendwas erwischt werden, was seitens der Bibel oder des Bullen vom örtlichen Sittendezernat als »unnatürlicher Geschlechtsakt« bezeichnet wird. Denn als »unnatürlich« gilt laut den Gesetzen fast aller Staaten der Union so gut wie alles außer der schnellen, pflichtgetreuen Begattung in der Missionarsposition mit dem ausschließlichen Ziel der Fortpflanzung. Alles andere stellt einen Gesetzesbruch dar. Und Leute, die Gesetze brechen, wandern ins Gefängnis .
    Was mich nicht weiter interessiert. Mein verhängnisvoller Absprung vom schmalen Pfad der Tugend liegt schon so lange zurück, dass ich gar nicht mehr weiß, wann ich zum ersten Mal zum Gesetzesbrecher wurde – aber ich bin seitdem ein solcher geblieben, und es ist viel zu spät, um jetzt noch etwas daran zu ändern. In den Augen Des Gesetzes erscheint mein ganzes Leben wie ein einziges sündenvolles Verbrechen. Ich habe wiederholt gesündigt – um genau zu sein, so oft es ging –, und sobald ich endlich von dieser elenden calvinistischen Schreibmaschine loskomme, werde ich damit weitermachen … Gott weiß, wie sehr es mir zuwider ist, aber nach all den Jahren des Verbrecherdaseins, komme ich einfach nicht dagegen an. Oder mit den Worten von Waylon Jennings: »The devil made me do it the first time. The second time, I done it on my own.«
    Richtig. Und beim dritten Mal hat mich mein Hirnschaden dazu getrieben, es zu tun … und danach dachte ich dann, dass jemand, der ohnehin zu einem Leben in Sünde und Verbrechen verdammt ist, sich eigentlich auch damit anfreunden und es genießen könnte.
    Und was immer diese ganzen Risiken und Kraftaufwendungen lohnenswert erscheinen lässt, muss etwas sein, von dem es keine Erlösung gibt außer durch die Macht der Reinen Liebe … Und dieses Funkeln abseitiger Weisheit bringt uns, so merkwürdig es auch scheinen mag, zurück zur Politik , zu Pat Caddell und dem Präsidentschaftswahlkampf 1976 … und nicht von ungefähr zu der Tatsache, dass sämtliche Zeitungen westlich der Wall Street, die mich mit der Bemerkung »ich mag Jimmy Carter« zitiert haben, damit absolut den Tatsachen entsprachen. Ich habe es viele Male, vielen Leuten gegenüber ausgesprochen und ich werde es weiterhin sagen, außer Jimmy Carter liefert mir einen guten Grund, meine Meinung zu ändern – was, sobald er diesen Artikel zu Ende gelesen hat, möglicherweise keine zwei Minuten dauern wird. Aber ich bezweifle das.
    Ich kenne Jimmy Carter seit mehr als zwei Jahren, und ich habe vermutlich mehr private Zeit von Mensch zu Mensch mit ihm zugebracht als jeder andere Journalist aus der Wahlkampfkarawane von 1976. Bei meiner ersten Begegnung mit ihm – an einem Samstagmorgen 1974 an der Hintertür des Gouverneurswohnsitzes in Atlanta – stand ich ganz kurz vor einem gewalttätigen Wutausbruch und brabbelte Carter und seine sichtlich amüsierte Familie mit wirrem Zeug voll über einen feindseligen Schweinehund, der in einer Uniform der Georgia State Police steckte und versucht hatte, mich am Passieren des Tores am unteren Ende der langen, baumgesäumten Auffahrt zum Haus zu hindern.
    Ich war die ganze Nacht in Gesellschaft wahrhaft amoralischer Gestalten unterwegs gewesen und hatte nicht geschlafen, und als ich auf dem Rücksitz eines Taxis, das ich mir in Downtown Atlanta genommen hatte, vor dem Wachhäuschen am Tor vorfuhr, war der Beamte alles andere als erfreut über mein Erscheinen – in Bild und Ton. Ich gab mir Mühe, ruhig zu bleiben, aber es dauerte nur dreißig Sekunden, um zu merken, dass ich so nicht weiterkam; sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass ich einfach nicht zu diesem Menschen durchdrang. Er starrte mich an und

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