Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
so einer von den ausgeflippten und von Schuldgefühlen geplagten Aussteigeranwälten aus San Francisco – so ein Saftsack, der einen Taco zu viel gemampft hat und sich gleich vorkommt wie der einzig echte Emiliano Zapata.«
Eigentlich hatte ich daran nichts auszusetzen, bloß in Aspen war es nicht so leicht, damit klarzukommen in diesem weißen High-Sommer 1967. Es war die Ära von Sergeant Pepper, von Surrealistic Pillow und Buffalo Springfield in der Originalbesetzung. Es war ein gutes Jahr für jeden – zumindest für die meisten . Es gab Ausnahmen, wie immer. Lyndon Johnson war eine, und Oscar Acosta war auch eine. Aus total verschiedenen Gründen. Es war einfach kein guter Sommer, um Präsident der Vereinigten Staaten zu sein oder ein wütender mexikanischer Anwalt in Aspen.
Oscar blieb nicht lange in der Gegend. Eine Zeit lang wusch er Teller, half ein wenig auf Baustellen, ließ dem Bezirksrichter ein paarmal vor Verzweiflung die Haare zu Berge stehen und machte sich dann nach Mexiko davon, um »ernsthaft zu werden«. Das Nächste, was ich von ihm hörte, war, dass er in L. A. für das Büro des öffentlichen Verteidigers arbeitete. Das war so um Weihnachten 1968, für kaum einen ein gutes Jahr – außer für Richard Nixon und vielleicht für Oscar Acosta. Denn zu jener Zeit begann Oscar seine eigene Richtung einzuschlagen. Er sei Amerikas einziger »Chicano-Anwalt«, erklärte er in einem Brief, und das gefiel ihm. Seine Klienten waren ausschließlich Chicanos, und die meisten seien, so sagte er, »politische Kriminelle«. Und wenn sie schuldig waren, dann nur, weil »sie taten, was getan werden musste«.
Schön und gut, dachte ich mir. Aber ich konnte da nicht so richtig einsteigen. Ich war ganz und gar dafür , man verstehe mich nicht falsch, aber nur auf der Basis einer persönlichen Freundschaft. Die meisten meiner Freunde haben irgendwelche seltsamen Dinge laufen, die ich nicht vollständig verstehe – und von einigen wenigen mir unangenehmen Ausnahmen abgesehen, wünsche ich ihnen allen nur Gutes. Wer bin ich denn, dass ich einem Freund raten könnte, seinen Namen nicht in Oliver High zu ändern, sich nicht von seiner Familie zu trennen und sich nicht einem Satanskult in Seattle anzuschließen? Oder mit einem anderen streiten könnte, der eine einschüssige Remington Fireball kaufen will, um loszurennen und aus sicherem Abstand die Cops abzuknallen?
Jedem das Seine, sag ich. Man sollte sich hüten, ohne Grund einem Freund im Gehirn staubzusaugen. Und wenn die privaten Trips der Freunde ab und zu mal außer Kontrolle geraten – nun, man tut, was man tun muss.
Wodurch mehr oder weniger erklärt wäre, wieso ich plötzlich mit dem Mord an Ruben Salazar zu tun hatte. Ich war zu jener Zeit in Portland, Oregon, und versuchte, gleichzeitig über die National American Legion Convention und das Sky River Rock Festival zu berichten … und dann kam ich eines Abends in mein Geheimzimmer im Hilton zurück und fand dort die »dringende Nachricht« vor, Mr. Acosta in Los Angeles anzurufen.
Ich fragte mich, wie es ihm gelungen war, mich in Portland aufzuspüren. Aber irgendwie wusste ich, warum er mich angerufen hatte. Ich hatte am Morgen die L. A. Times gelesen, in der über Salazars Tod berichtet wurde, und sogar auf die Entfernung von über 2000 Meilen stank die Geschichte zum Himmel. Das Problem war nicht irgendeine Ungereimtheit oder ein Mangel an Information: Die ganze verdammte Chose stimmte nicht. Es gab einfach keinen Sinn.
Der Salazar-Fall hatte einen ganz bestimmten Haken: nicht dass es sich um einen Mexikaner oder Chicano handelte, und nicht mal Acostas wütende Anklage, die Cops hätten ihn kaltblütig umgebracht und niemanden habe das gekümmert. Das alles waren die rechten Zutaten für einen Aufruhr, aber aus meinem persönlichen Blickwinkel war der wirklich beklemmende Aspekt der Geschichte Oscars Behauptung, die Polizei sei vorsätzlich auf die Straße gegangen und habe einen Reporter getötet, der ihr Schwierigkeiten machte. Wenn das stimmte, hatte sich der Pokereinsatz drastisch erhöht. Wenn die Bullen erst mal die Jagd auf Journalisten eröffnen, wenn sie glauben, das Recht zu haben, jeden Schauplatz »ungesetzmäßigen Protestes« zur freien Feuerzone zu erklären, dann wird das ein sehr, sehr hässlicher Tag sein – und nicht nur für Journalisten.
Ruben Salazar wurde während der Nachwehen eines an Watts erinnernden Aufruhrs getötet, der seinen Anfang nahm, als Hun derte von
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