Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
vertraute Figur. Restrepo ist derjenige, der die KMEX-TV-Nachrichten der Öffentlichkeit präsentiert … und Ruben Salazar war – bis zum 29. August 1970 – der Mann im Hintergrund, der Nachrichtenredakteur.
Sie arbeiteten gut zusammen, und an jenem Sonnabend, als der Chicano-»Friedensmarsch« zu einem Straßenkrawall à la Watts wurde, beschlossen sowohl Salazar wie Restrepo, es sei klug, wenn Restrepo – von Geburt Kolumbianer – zwei Freunde mitnähme (ebenfalls Kolumbianer), die ebenfalls die Ereignisse beobachteten und überdies als Leibwächter fungierten.
Sie hießen Gustavo Garcia, dreißig Jahre alt, und Hector Fabio Franco, ebenfalls dreißig. Beide Männer sind auf einem Foto zu erkennen (das Sekunden vor Salazars Tod gemacht wurde), auf dem ein Sheriff’s Deputy zu sehen ist, der eine Waffe auf die Vordertür des Silver Dollar Café richtet. Garcia ist der Mann direkt vor der Waffe. Als das Foto gemacht wurde, hatte er gerade den Polizisten gefragt, was hier eigentlich los sei, und der Polizist hatte ihm gerade gesagt, er solle so schnell wie möglich in die Bar verschwinden, wenn er nicht erschossen werden wolle.
Im Büro des Sheriffs erfuhr man von diesem Foto erst drei Tage, nachdem es – zusammen mit einem Dutzend weiterer – gemacht worden war, und zwar von zwei weiteren Augenzeugen, die zudem Redakteure von La Raza waren, einer militanten Chicano-Zeitung, die sich »Die Stimme des East L. A. Barrio« nennt. Die Fotos wurden von Paul Ruiz gemacht, einem 28-jährigen Dozenten für lateinamerikanische Studien am San Fernando Valley State College. Ruiz war an jenem Tag, als der Protestmarsch zu einem Straßenkrieg mit der Polizei wurde, im Auftrag von La Raza tätig. Er und Joe Razo, ein 23-jähriger Jurastudent mit einem Magister in Psychologie, verfolgten die Ereignisse am Whittier Boulevard, als ihnen eine Sondereinheit von Sheriff’s Deputies auffiel, die sich bereitmachte, das Silver Dollar Café anzugreifen.
Ihr Bericht über die dortigen Geschehnisse wurde – zusammen mit den Fotos von Ruiz – in La Raza drei Tage nach der Verlautbarung aus dem Büro des Sheriffs veröffentlicht, in der es hieß, Salazar sei eine Meile entfernt im Laguna Park von Heckenschützen und/oder einer »verirrten Kugel« getötet worden.
Der Bericht in La Raza schlug ein wie eine Bombe. Einzeln machten die Fotos keinen besonders starken Eindruck, aber zusammen – und begleitet von den Ruiz/Razo-Aussagen – bewiesen sie, dass die Cops noch immer logen, als sie mit ihrer zweiten (revidierten) Fassung der Salazar-Erschießung herauskamen.
Zudem unterstützte dieser Bericht die Aussagen von Restrepo, Garcia und Franco, durch die schon die ursprüngliche Polizeiversion Lügen gestraft worden war, weil zweifelsfrei bewiesen werden konnte, dass Ruben Salazar im Silver Dollar Café von einem Sheriff’s Deputy umgebracht worden war. Dessen waren sie sich auf jeden Fall sicher, mehr konnten sie jedoch nicht sagen. Sie waren erstaunt, sagten sie, als die Cops mit Waffen erschienen und sie bedrohten. Sie entschieden sich zu verschwinden – durch die Hintertür, da die Cops vorne niemanden herauslassen wollten –, und dann begann auch die Schießerei, weniger als dreißig Sekunden, nachdem Garcia auf dem Gehsteig vor der Polizistenwaffe fotografiert worden war.
Die Schwäche der Restrepo/Garcia/Franco-Aussagen war so offensichtlich, dass sie nicht mal den Cops entgehen konnte. Die drei wussten nämlich nur, was zum Zeitpunkt von Salazars Tod im Silver Dollar passiert war. Sie konnten nicht wissen, was außerhalb los war oder warum die Cops zu schießen begonnen hatten.
Die Erklärung dafür kam fast auf der Stelle aus dem Büro des Sheriffs – und wieder einmal von Lt. Hamilton. Die Polizei habe »eine anonyme Aussage« erhalten, sagte er, dass »ein Mann mit einer Waffe« im Silver Dollar Café sei. Und das war der Ausgangspunkt ihres »begründeten Eingreifens«, der Grund, warum die Polizei tat, was sie tat. Das Eingreifen bestand darin, so Hamilton, »mehrere Deputies zu entsenden«, um das Problem zu lösen … und sie versuchten es, indem sie außerhalb des Silver Dollar Aufstellung nahmen und mit einem Megafon »die laute Mahnung« aussprachen, jeder, der sich im Café aufhielte, solle herauskommen, die Hände über dem Kopf.
Darauf sei keine Reaktion erfolgt, sagte Hamilton, und daher habe ein Deputy zwei Tränengasprojektile durch die Vordertür in die Bar abgefeuert. Zu diesem Zeitpunkt flohen
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