Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Frank bedachte mich mit einem breiten Grinsen, als ich ging.
»Dass wir Ruben verloren haben, ist eine gottverdammte Katastrophe für die Bewegung«, sagte Acosta kürzlich. »Er war nicht wirklich auf unserer Seite , aber er war wenigstens interessiert. Zum Teufel, es ist wahr, dass ich den Typen eigentlich überhaupt nicht mochte. Aber er war der einzige wirklich einflussreiche Journalist in ganz L. A., der zu einer Pressekonferenz im Barrio kam. Das ist die Wahrheit. Zum Teufel, die einzige Art und Weise, wie wir diese Hundesöhne dazu bekommen, uns zuzuhören, ist, drüben in West Hollywood oder sonst an einem anderen scheiß Ort irgend ’ne schnieke Hotellobby zu mieten – wo die sich wirklich wohlfühlen können – und dort unsere Pressekonferenz abzuhalten. Mit gratis Kaffee und Häppchen für die Presse. Aber auch dann noch kommt die Hälfte der Arschgesichter nicht, weil wir ihnen keinen Schnaps umsonst kredenzen. Scheiße! Weißt du, was das kosten würde?«
Das war der Tenor unseres Gesprächs an jenem Abend, als Guillermo und ich in Oscars Bude fuhren, um ein paar Bier zu trinken und uns über Politik zu unterhalten. Es war ungewöhnlich ruhig bei ihm. Keine Musik, kein Gras, keine schandmäuligen bato loco -Typen im Vorderzimmer auf den Holzpaletten. Es war das erste Mal, dass mir die Bude nicht vorkam wie die Probebühne für irgendeine höllische Auseinandersetzung, die jeden Augenblick losbrechen konnte.
Aber heute Abend war es tödlich still. Die einzige Unterbrechung waren plötzliches Poltern an der Tür und Stimmen, die riefen: »He, Mann, mach auf! Ich hab ’n paar Brüder bei mir!« Rudy eilte an die Tür und linste durch das winzige Guckloch. Dann kam er zurück und schüttelte entschieden den Kopf. »Sind ’n paar Typen vom Projekt«, sagte er zu Oscar. »Ich kenne sie, aber sie sind ziemlich zugeknallt.«
» Verdammt noch mal«, grunzte Acosta. »Die haben mir heute Abend gerade noch gefehlt. Wimmel sie ab. Sag ihnen, ich muss morgen früh im Gericht sein. Jesus! Ich muss auch mal schlafen !«
Rudy und Frank gingen nach draußen, um sich mit den brothers zu unterhalten. Oscar und Guillermo wandten sich wieder der Politik zu, und ich hörte zu, ahnte, dass es an allen Fronten bergab ging. Nichts wollte klappen. In Corkys Fall waren sich die Geschworenen noch immer nicht einig geworden, aber Acosta war nicht optimistisch. Außerdem erwartete er die Entscheidung in Bezug auf seinen Befangenheitsvorwurf im Fall der »Biltmore Six«. »Den Fall werden wir wahrscheinlich auch verlieren«, sagte er. »Die Hundesöhne glauben, sie haben uns jetzt am Arsch; die meinen, wir sind demoralisiert – und deswegen ziehen sie die Schrauben fester an, rücken uns immer mehr auf die Pelle.« Er zuckte mit den Achseln. »Und vielleicht haben sie recht. Scheiße. Ich bin es leid, mich mit ihnen rumzustreiten. Wie lange denken die eigentlich, dass ich mich noch in ihr gottverdammtes Gerichtsgebäude schleppe und um Gerechtigkeit bettle? Ich bin die Scheiße leid . Wir sind sie alle leid.« Er schüttelte den Kopf – langsam –, und dann riss er eine Dose Budweiser auf, die Rudy ihm aus der Küche gebracht hatte. »Diese legale Scheiße bringt’s nicht«, fuhr er fort, »und so wie’s jetzt aussieht, glaube ich, ist das Spiel so gut wie zu Ende. Könnt ihr euch vorstellen, dass ich heute in der Mittagspause ’ne Bande gottverdammter batos locos davon abhalten musste, den Staatsanwalt zu verprügeln? Himmel! Danach wär ich ein für alle Mal gefickt. Die schicken mich in den gottverdammten Bau, weil ich irgendwelche Schurken angeheuert hab, die den Staatsanwalt zusammenschlagen sollen!« Wieder schüttelte er den Kopf. »Ehrlich, ich glaub, das ganze Ding ist außer Kontrolle. Weiß der Himmel, wo das noch enden soll, aber ich weiß, dass es verdammt übel wird – ich glaube, die echte Scheiße kommt erst noch.«
Später in derselben Woche stimmte das Los Angeles Board of Supervisors dann auch noch dafür, aus öffentlichen Mitteln sämtliche Anwaltskosten für mehrere Polizisten zu bestreiten, die kürzlich verurteilt worden waren, »fahrlässig« zwei mexikanische Staatsbürger erschossen zu haben – ein Fall, der in East L. A. als der »Mord an den Sanchez-Brüdern« bekannt war. Die Cops erklärten, es habe sich um eine Personenverwechslung gehandelt. Irgendwie hatten sie die falsche Adresse einer Wohnung bekommen, in der sich »zwei mexikanische Flüchtlinge« verschanzt haben sollten. Also
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