Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
nervös.
»Noch drei Rum«, sagte ich. »Mit viel Eis und vielleicht ’ner Handvoll Limonenscheiben.«
Er nickte, aber ich merkte, dass seine Gedanken nicht bei der Sache waren. Er starrte auf unsere Namensschilder. »Haben Sie mit dem Polizei-Kongress oben zu tun?«, fragte er schließlich.
»Erraten, mein Freund«, sagte der Mann aus Georgia und grinste breit. Der Barmixer schüttelte betreten den Kopf. »Hab ich mir’s doch gedacht«, sagte er. »Solche Gespräche hab ich nämlich noch nie in der Bar gehört. Herrgott! Wie haltet ihr Leute solche Arbeit nur durch ?«
Mein Anwalt lächelte ihn an. »Uns gefällt’s«, sagte er. »Ist doch ’ne Schau .«
Der Barmixer schreckte zurück. Sein Gesicht zeigte einen maskenhaften Ausdruck des Widerwillens.
»Gefällt Ihnen was nicht?«, fragte ich. »Zum Teufel, irgendjemand muss die Arbeit doch machen.«
Er starrte mich einen Augenblick an, dann wandte er sich ab.
»Und Beeilung mit den Drinks«, sagte mein Anwalt. »Wir sind durstig.« Er lachte und rollte mit den Augen, als der Barmixer ihn anschaute. »Nur zwei Rum«, sagte er. »Ich will ’ne Bloody Mary!«
Der Barmixer schien zu erstarren, aber unser Georgia-Freund merkte es nicht. Seine Gedanken waren woanders. »Zum Teufel, gern hör ich das alles nicht«, sagte er leise. »Denn alles, was in Kalifornien passiert, kommt auch irgendwann zu uns, früher oder später. Meistens Atlanta, aber ich schätze, das war damals, als die gottverdammten Hunde noch friedlich waren. Damals brauchten wir nichts anderes zu machen, als die Typen im Auge zu behalten. Sind nicht viel rumgestrolcht …« Er zuckte mit den Achseln. »Aber jetzt, Himmel, jetzt ist ja niemand mehr sicher. Die könnten ja überall auftauchen.«
»Recht haben Sie«, sagte mein Anwalt. »Das haben wir in Kalifornien lernen müssen. Sie erinnern sich doch, als Manson auftauchte, oder? Mitten im Death Valley. Er hatte ’ne ganze Armee von Sex-Besessenen da draußen versammelt. Wir konnten nur ein paar davon schnappen. Die meisten von seiner Bande sind entwischt; sind einfach über die Sanddünen abgehauen, wie große Eidechsen … und alle splitterfasernackt, bis auf die Waffen, die sie trugen.«
»Die tauchen irgendwo auf, und zwar bald«, sagte ich. »Können nur hoffen, dass sie uns nicht übertölpeln.«
Der Georgia-Mann hämmerte mit der Faust auf die Theke. »Aber wir können uns doch nicht in unseren Häusern einschließen wie die Sträflinge!«, rief er aus. »Wir wissen nicht mal, wer diese Leute sind. Wie erkennt man sie denn?«
»Kann man nicht«, erwiderte mein Anwalt. »Bleibt nichts übrig, als den Bullen bei den Hörnern zu packen und weg mit dem Gesindel, ausmerzen!«
»Was meinen Sie denn damit?«, fragte er.
»Sie wissen schon, was ich meine«, sagte mein Anwalt. »Wir haben’s schon früher gemacht, und wir können’s verdammt wieder machen.«
»Rübe ab, ist doch klar«, sagte ich. »Alle einen Kopf kürzer machen. So halten wir’s in Kalifornien.«
»Was?«
»Klar«, sagte mein Anwalt. »Ist natürlich alles ziemlich geheim, aber jeder, auf den’s ankommt, ist auf unserer Seite.«
»Mein Gott! Ich hatte ja keine Ahnung, dass es da so schlimm steht!«, sagte unser Freund.
»Wir posaunen so was nicht raus«, sagte ich. »Über solche Sachen spricht man nicht da oben, ist doch klar. Nicht, wenn die Presse da rumlungert.«
Unser Mann stimmte zu. »Zum Teufel, nein«, sagte er. »Dann würden wir das Ungeziefer ja nie ausrotten.«
»So’n Dobermann redet nicht«, sagte ich.
»Was?«
»Manchmal ist es besser, kein Protokoll zu schreiben«, sagte mein Anwalt. »Und die Typen leisten höllischen Widerstand, wenn man ihre Rübe will und keinen Hund dabeihat.«
»Allmächtiger Gott!«
Wir ließen ihn in der Bar zurück. Er hatte einen ernsten Gesichtsausdruck und schüttelte das Eis in seinem Drink. Er fragte sich, ob er seiner Frau von dieser Geschichte erzählen sollte oder nicht. »Sie würde das nie begreifen«, murmelte er. »Sie wissen schon, wie Frauen sind.«
Ich nickte. Mein Anwalt war schon fort, hastete durch ein Labyrinth von Spielautomaten zur Eingangstür. Ich verabschiedete mich von unserem Freund und schärfte ihm ein, kein Wort von dem weiterzuerzählen, was wir ihm gesagt hatten.
Die Wahlkampfkarawane 1972
Die Idee, Hunter für den Rolling Stone über den Wahlkampf 1972 berichten zu lassen – von den ersten Vorwahlen bis zum eigentlichen Wahltag –, wurde über Monate heftig diskutiert.
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